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Totalausfall bei Skyguide Chaos im Schweizer Luftraum: Das sind die Ursache und die Folgen

Für knapp fünf Stunden ist heute der kontrollierte Luftraum über der Schweiz gesperrt worden. Wie konnte das geschehen?

Die Panne: Nichts ging mehr am Mittwochmorgen im Schweizer Luftverkehr. Der kontrollierte Luftraum war von kurz vor 4 Uhr in der Früh bis 8.30 Uhr komplett gesperrt. An den grossen Flughäfen Zürich und Genf konnten keine Flugzeuge mehr starten und landen, auch der Überflugverkehr wurde umgeleitet. Gemäss Skyguide war die Sicherheit im Flugverkehr jederzeit garantiert. Insgesamt mussten rund 100 Flüge annulliert oder umgeleitet werden. Tausende Passagiere waren betroffen. Diese grosse Panne ist eine Premiere für die Schweizer Flugsicherung.

Gewisse umgeleitete Flüge konnten in der Schweiz etwa am EuroAirport Basel-Mulhouse landen, welcher der französischen Flugsicherung untersteht. Im Ausland wurden jene Flughäfen angesteuert, die der jeweiligen Destination am nächsten sind wie etwa Frankfurt, Mailand, Wien oder Lyon. Auch der Flughafen Basel war vorübergehend stark betroffen. Am Flughafen Bern waren während der Panne Flüge nach Instrumentenflugregeln (IFR) nicht möglich. Dazu gehören alle Linienflüge. Private Flüge nach Sichtflugregeln hingegen waren weiterhin möglich.

Ab 10 Uhr am Mittwochmorgen lief der Flugbetrieb dann wieder bei 100 Prozent der Kapazität, wie der Flughafen Zürich mitteilte. Aber «wir empfehlen Passagieren weiterhin, sich bei ihrer Airline über den Status ihres Fluges zu informieren», schrieb der grösste Flughafen der Schweiz.

Skyguide kurz erklärt

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Die nationale Flugsicherung Skyguide ist sowohl für die zivile als auch für die militärische Flugsicherung in der Schweiz und im angrenzenden Ausland zuständig. Sie überwacht in der Schweiz einen der verkehrsreichsten Lufträume Europas.

Neben den internationalen Flughäfen ist Skyguide auch an den zivilen Regionalflugplätzen Bern, Buochs, Grenchen, Lugano Agno und St. Gallen Altenrhein sowie in Locarno und Sion im Einsatz, wo sowohl zivile als auch militärische Flüge stattfinden.

Skyguide befindet sich mehrheitlich im Besitz des Bundes und hat seinen Hauptsitz in Genf. Für Skyguide arbeiten 1500 Mitarbeitende an 14 Standorten. Die wichtigsten Standorte sind die beiden zivilen Area Control Center am Militärflugplatz Dübendorf ZH und am Flughafen Genf.

Skyguide finanziert sich mit Gebühren für An- und Abflüge sowie für Überflüge. Wegen der Pandemie musste das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Reinverlust von knapp 120 Millionen Franken hinnehmen. Im ersten Coronajahr 2020 hatte das Unternehmen gar ein Defizit von beinahe 165 Millionen Franken erlitten. Der Bundesrat sprach dem bundesnahen Betrieb deshalb in mehreren Etappen eine halbe Milliarde Franken aus der Bundeskasse.

Ursache: Gemäss Skyguide-Sprecher Vladi Barrosa fiel eine Hardware-Komponente im Netzwerk aus und musste entsprechend ausgetauscht werden. Nach eingehender Überprüfung der Systeme wurde um 8:30 Uhr grünes Licht gegeben und die Luftraumüberwachung wieder hochgefahren. Ein Cyberangriff wird definitiv ausgeschlossen. Der Netzwerkfehler sei im Skyguide-Rechenzentrum in Genf aufgetreten und wegen des Netzwerks habe auch das zweite Skyguide-Zentrum in Dübendorf den Betrieb nicht überbrücken können, hiess es von Skyguide weiter.

Normalerweise müssen Flugsicherungssysteme redundant sein, d.h. bei einem Ausfall garantieren andere Systeme den Betrieb. Skyguide hält fest, dass das Netzwerk selbst redundant sei. «In diesem Fall war es eine einzelne Komponente, die wir nicht redundant gehabt haben, weil das gar nicht geht. Wir mussten sie physisch austauschen und mit einem neuen Gerät ersetzen», sagt Vladi Barrosa. Einfach gesagt, habe ein Switch nicht funktioniert. Dieser sei für die Datenübertragung von einem zu einem anderen Computer zuständig. Der zweite, als Sicherung eingebaute, redundante Switch habe darauf nicht reagiert und die Daten immer wieder zurückgeschickt.

Folgen: Tausende Passagiere strandeten an den Flughäfen in Genf und Zürich. Laut Angaben des Flughafens Zürich mussten dort 77 Flüge gestrichen werden, 15 Flüge mussten anderswo landen. In Genf warteten 2000 Menschen auf ihre Maschine. Laut dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) wurden rund 80 Flüge umgeleitet. Bei der Swiss wurden 60 (30 Hin- und Rückflüge) Kurzstreckenflüge ab Zürich annulliert. Davon waren rund 6400 Passagiere betroffen. In Genf wurden zusätzlich 8 Flüge (4 Hin- und Rückflüge) annulliert, hier waren 700 Kundinnen und Kunden betroffen. Für die Passagiere werde nun nach individuellen Lösungen gesucht, hiess es von der Swiss weiter. Gemäss Swiss-Sprecher Michael Stief übernimmt die Fluggesellschaft gewisse Hotel-, Telefon-, Transport- sowie Verpflegungskosten.

Wann gibt es einen Anspruch auf Rückerstattung?

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  • Fluggäste, deren Flüge annulliert werden, sollten entweder eine Erstattung des Flugpreises oder eine anderweitige Beförderung unter zufriedenstellenden Bedingungen erhalten können, und sie sollten angemessen betreut werden, während sie auf einen späteren Flug warten.
  • Grundsätzlich steht Passagieren eine Rückerstattung zu, wenn ein Flug mehr als 5 Stunden Verspätung hat.
  • Bei mehr als 5 Stunden steht den geschädigten Kundinnen und Kunden immer eine Rückerstattung zu – die Airline kann sich nur bezüglich der sogenannten Ausgleichszahlungen auf ungewöhnliche Umstände berufen.
    (Quelle: Bundesamt für Zivilluftfahrt)

    Es ist laut Skyguide im Verlauf des Tages weiterhin mit Verspätungen im Flugverkehr zu rechnen – insbesondere bei den Langstreckenflügen. Eine Normalisierung des Flugverkehrs wird ab Donnerstag erwartet. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hat Skyguide beauftragt, in einem Bericht Informationen über die Ursachen der Schliessung, die getroffenen Massnahmen und eine Analyse vorzulegen. Auch die Politik ist an einer Aufarbeitung interessiert und erwartet, dass Skyguide klare Antworten liefert, denn von links bis rechts ist man der Ansicht: «Das darf nicht passieren.»

    Kosten: Skyguide kann die finanziellen Folgen noch nicht beziffern. Gemäss dem SRF-Aviatik-Experten Michael Weinmann ist ein Schaden in Millionenhöhe zu erwarten. Durch den Ausfall entstehe für Skyguide insbesondere ein Reputationsschaden. Die Airlines müssten die Kosten selbst tragen, hält Skyguide fest. «Für die Airlines gehört das zum Risiko dazu, dass sie in Kauf nehmen müssen, dass der Luftraum eben mal gesperrt werden kann», sagt Vladi Barrosa. Swiss-Sprecher Michael Stief bestätigt, dass Swiss nicht gegen Skyguide vorgehen werde: «Skyguide haftet nach den Grundsätzen der sogenannten Staatshaftung und somit ist kein Rückgriff möglich.»

    SRF 4 News, 11:00 Uhr, 15.06.2022 ; 

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