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Tourismus im Tessin «Für Feriengäste spielt die Zeitersparnis keine Rolle»

Der erhoffte Aufschwung dank dem Gotthard-Basistunnel im Tessiner Tourismus ist bislang ausgeblieben. Die Gründe dafür sieht der Touristik-Experte Jürg Stettler in der fehlenden Bündelung der attraktiven Einzelangebote im Tessin.

Jürg Stettler

Dozent an der Hochschule Luzern

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Der studierte Ökonom Jürg Stettler ist Vizedirektor und Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern.

SRF News: Warum hat der neue Gotthard-Basistunnel nicht den erwünschten Tourismus-Boom fürs Tessin gebracht?

Jürg Stettler: Kurzfristig kamen durchaus mehr Leute ins Tessin. Grund dafür waren die mediale Berichterstattung, die Neugier auf die Fahrt durch den Tunnel, Sonderaktionen, das gute Wetter und der etwas schwächere Franken. Deshalb konnte das Tessin 2017 bei den Feriengästen etwas zulegen. Wie sich jetzt zeigt, war das allerdings ein kurzfristiger Effekt.

Am Grundangebot für Touristen im Tessin hat sich nichts geändert.

Das hat damit zu tun, dass sich am Tourismus-Grundangebot im Tessin allein mit dem Basistunnel nichts geändert hat – ausser, dass man jetzt etwas schneller dort ist. Das ist aber bloss für Tagesgäste und für Pendler interessant, für Feriengäste spielt die halbe Stunde Zeitersparnis bei der Reise in den Südkanton keine entscheidende Rolle.

Was stimmt mit dem Grundangebot im Tessin nicht – wenn es offensichtlich für die Touristen nicht mehr ausreicht?

Das Tessin bietet spannende Erlebnisse, eine tolle Landschaft, spezielle kulinarische Angebote. Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass die Tourismus-Angebote, beispielsweise im Internet, zu wenig gebündelt und auf spezifische Zielgruppen zugeschnitten sind.

Die Attraktionen im Tessin sollten zu Paketen geschnürt angeboten werden.

Die einzelnen Attraktionen und Erlebnisse werden meist isoliert angeboten. Man sollte die Angebote jedoch in Pakete schnüren: etwa Anreise ins Tessin, Transport vor Ort, Übernachtung sowie Attraktionen und kulinarische Erlebnisse zusammen verbinden und sie so auch zur Buchung anbieten. Wenn solche Pakete geschickt auf spezifische Zielgruppen zugeschnitten werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Interessierte dazu inspiriert werden, ins Tessin in die Ferien zu fahren – auch wenn sie vielleicht nicht das ganze Paket schon im Vorfeld buchen.

Sich windende Passstrasse.
Legende: Eine der Tessiner Attaktionen: die Tremola, die alte Passstrasse über den Gotthard. Imago

Das Tessin war vom Frankenschock besonders betroffen. Wirkt dieser immer noch nach?

Verglichen mit Norditalien hat das Tessin grundsätzlich einen Preisnachteil – wenn man nach Como fährt, kriegt man wahrscheinlich ein ähnliches Angebot wie im Tessin, aber einiges günstiger. Deshalb kann sich das Tessin nur mit einer konsequenten Qualitätsstrategie behaupten: Es muss besser und anders sein. Da hat das Tessin durchaus einiges zu bieten.

Für den Herbst-Tourismus hat das Tessin einiges Potenzial.

So könnte man etwa das 2017 eingeführte «Ticino-Ticket», mit dem Übernachtungsgäste den öffentlichen Verkehr im ganzen Kanton gratis benützen können, noch besser nutzen. Vor allem bei den Vergünstigungen für Attraktionen und Erlebnisse besteht noch Potenzial. Sie sollten stärker in den Vordergrund gerückt werden. Gerade der Herbst könnte für das Tessin interessant sein – schliesslich will Schweiz Tourismus die Schweiz ja verstärkt auch im Herbst positionieren.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

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