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Tourismus Unfälle ausländischer Gäste sind teuer für die Gemeinden

Die Schweiz ist ein Mekka für Hochrisiko-Sportarten. Wenn ausländische Gäste abreisen, ohne Rettungs- und Spitalkosten bezahlt zu haben, bleiben die Kosten schlimmstenfalls an den Gemeinden hängen.

Lauterbrunnen im Berner Oberland zieht Basejumper aus aller Welt an – rund 70 sind bisher tödlich verunglückt. Auch beim Bergsport, Bungee-Jumping, Canyoning oder Downhill-Moutainbiking in anderen Regionen kommt es regelmässig zu schweren Unfällen.

Und diese gehen ins Geld: Die durchschnittliche Rechnung für einen Einsatz der Luftrettung Air-Glaciers liegt bei 3600 Franken, kann aber bei komplexen Rettungen 5000 Franken oder mehr erreichen. Ein langer Spitalaufenthalt fällt noch stärker ins Gewicht.

Ungedeckte Kosten

Vor allem Gäste aus Drittstaaten sind nicht immer genügend versichert. Wenn sie sich nach einer Rettung oder Behandlung ins Ausland absetzen, ohne die Rechnungen bezahlt zu haben, bleiben Spitäler, Rettungsdienste oder Kantone und Gemeinden zuweilen auf Kosten sitzen.

Das 600-Seelen-Dorf Alpthal (SZ) musste vor gut zehn Jahren eine Spitalrechnung von über 100'000 Franken übernehmen, weil ein mittelloser ausländischer Jakobsweg-Pilger auf Gemeindeboden gestürzt war.

Wer bleibt auf wie hohen Kosten sitzen?

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Der Rettungsdienst Air-Glaciers muss pro Jahr durchschnittlich 150'000 Franken als Debitorenverluste abschreiben, weil trotz aller Bemühungen fällige Beträge nicht eingetrieben werden können.

Der Rettungsdienst Air Zermatt bleibt jährlich auf Rettungskosten von über 100'000 Franken sitzen, obwohl auch er spezialisierte Inkassobüro einschaltet. In gewissen Fällen kann es mehrere Jahre dauern, bis ein Fall abgeschlossen ist.

In der Einwohnergemeinde Meiringen (BE) kommt es vereinzelt zu Fällen, in denen stationäre medizinische Notfallbehandlungen offen bleiben. Die Kosten können aber über den Lastenausgleich abgefedert werden.

Die Berner Gemeinden Lauterbrunnen, Interlaken und Wilderswil sowie die Walliser Gemeinden Zermatt und Saas-Fee mussten in den letzten Jahren keine Kosten übernehmen.

Die Gemeinde Flims (GR) muss alle paar Jahre zwischen 2000 und 5000 Franken zahlen und bleibt vielfach auf diesen Kosten sitzen, weil der Einziehung im Ausland aufwendig und oftmals vergeblich ist.

Die Gemeinde St. Moritz (GR) übernimmt die Kosten nur, wenn die offenen Forderungen durch keine andere Stelle übernommen werden können und das Inkasso bei der betroffenen Person erfolglos blieb. Im Jahr 2024 betrugen diese Kosten rund 17'500 Franken.

Die Gemeinde Engelberg (OW) bleibt meist auf kleinen Beträgen sitzen, so zwischen 2000 und 4000 Franken pro Jahr. Es gab aber auch schon ein Jahr mit mehreren 100'000 Franken.

War die Behandlung überlebensnotwendig, kann das Spital die Rechnung an die öffentliche Hand weiterreichen. Das Gesetz sieht nämlich vor: Benötigt ein Tourist sofortige Hilfe, muss der Aufenthaltskanton die Rettungs- oder Spitalkosten zahlen.

Manche Kantone – etwa Uri und Nidwalden – kommen dieser Pflicht direkt nach, andere wälzen die Kosten auf die Gemeinden ab. Im Kanton Bern tragen der Kanton und alle Gemeinden die Kosten über den Lastenausgleich gemeinsam, so dass Touristenorte nicht übermässig belastet werden.

Was gilt als Aufenthaltsort?

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Wenn der Tourist drei Wochen Ferien in einem Luzerner Hotel gebucht hat, dann ist dieser Ort entscheidend, auch wenn der Unfall auf einem Tagesausflug ins Ballenbergmuseum im Kanton Bern passiert ist. Ist er bloss auf der Durchreise, hat also keinen klaren «Aufenthaltsort», dann ist der Unfallort entscheidend.

So ist es kein Zufall, dass auf Anfrage von SRF vor allem Berner Gemeinden schreiben, ihnen entstünden durch Hochrisiko-Sportunfälle keine ungedeckten Kosten.

«Alles andere als gemeindefreundlich»

Schlimmer ist die Situation in anderen Ferienregionen. «Dieses Gesetz ist alles andere als gemeindefreundlich, zumal ja nicht nur Risikounfälle darunterfallen», sagt Martin Kuratli von der Gemeinde Flims (GR). Seine Gemeinde komme alle paar Jahre in diese Situation.

Im Vergleich zu früher habe sich die Situation aber verbessert. «Die Gäste sind mehrheitlich besser versichert», so Kuratli. Noch besser wäre es, wenn Spitäler vor der Behandlung die geschätzten Kosten auf der Kreditkarte des Patienten blockieren könnten, wie es im Ausland bereits üblich sei. «Wieso dies bei uns nicht flächendeckend gehen sollte, ist schwer verständlich.»

Gewöhnliche Unfälle fallen stärker ins Gewicht

Auch die Gemeinde Engelberg (OW) hat immer wieder Kosten, die sich nicht eintreiben lassen. Laut Gemeindeschreiber Roman Schleiss betraf das in den vergangenen zehn Jahren aber nur einmal eine Risikosportart (Freeriden). «In den meisten Fällen geht es um gewöhnliche Unfälle oder Gesundheitsprobleme.»

Ein Mann fliegt ins Tal
Legende: Hoffentlich gut versichert: Ein Basejumper in der Nähe von Mürren im Berner Oberland. KEYSTONE/Anthony Anex

Auf wie viel Kosten die Gemeinde sitzen bleibt, ist laut Schleiss von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich. Meist seien es kleine Beträge, so zwischen 2000 und 4000 Franken pro Jahr. «Wir hatten aber auch schon ein Jahr mit mehreren 100'000 Franken.» Das sei zum Glück selten.

Ebenfalls erfreulich sei, dass die meisten Hochrisikosportler gut versichert seien. «Da bleiben wir kaum auf Kosten sitzen», so Schleiss. Und ohnehin: «Die Einnahmen aus dem Tourismus übersteigen diese Kosten bei Weitem.» Für die Gemeinden lohnt es sich also unter dem Strich, ein Mekka für ausländische Gäste zu sein.

SRF Rundschau, 10.9.2025, 20:10 Uhr;liea

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