Trans Jugendliche - Eltern kritisieren Zürcher Psychiatrieklinik
Eltern fordern die Gesundheitsdirektion Zürich auf, eine externe Untersuchung gegen die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und andere Institutionen einzuleiten. Ein Treffen hat bereits stattgefunden.
Die Vorwürfe haben es in sich: In einem Brief, der SRF Investigativ vorliegt, wenden sich in neun Fällen Väter und Mütter an die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli und an Kantonsärztin Christiane Meier.
Ihre Teenager fühlen oder fühlten sich dem jeweils anderen Geschlecht zugehörig. Sie besuchten deshalb spezialisierte Einrichtungen. Eine davon wird im Brief in vier Fällen kritisiert: die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Zürich (KJPP).
«Suizidgefahr systematisch hervorgehoben»
Im Brief heisst es unter anderem, dass die soziale Transition – etwa die Änderung des Namens – der Kinder sofort vollzogen worden sei, «ohne Einbeziehung der Eltern und ohne eine vorausgehende genaue Beurteilung der jugendlichen Person».
Auch sei die Suizidgefahr bei ihren trans Kindern systematisch hervorgehoben worden, «um auf ein sofortiges Handeln zu drängen».
Vorwürfe und Forderungen der Eltern
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Die Elterngruppe aus 9 Personen kritisiert unter anderem Folgendes:
«Die Diagnose Geschlechtsdysphorie wurde schnell und übereilt, ohne umfassende Beurteilung unserer Kinder, gestellt.»
«Die soziale Transition unserer Kinder (Änderung des Vornamens und der Pronomen) wurde von den Ärzt_innen und Therapeut_innen sofort vollzogen und empfohlen, ohne Einbeziehung der Eltern und ohne eine vorausgehende genaue Beurteilung der jugendlichen Person.»
«Die Suizidgefahr wurde systematisch von den ersten Gesprächen an hervorgehoben, um auf ein sofortiges Handeln zu drängen.»
Die meisten Eltern bleiben anonym – sie fürchten, die Beziehung zu ihren Kindern zu gefährden.
Eine Mutter ist bereit, offen zu sprechen. SRF kennt ihren Namen, hat ihre Geschichte überprüft. Die Mutter berichtet davon, wie sie die Besprechung an der KJPP erlebte. Sie begleitete ihr damals 15-jähriges Kind erstmals zum Termin. Es wollte sein Geschlecht angleichen und war bereits in psychotherapeutischer Behandlung.
Meine Fragen sind nicht richtig beantwortet worden.
«Niemand hat mich gefragt, wie mein Kind als Kind gewesen ist», sagt sie. «Meine Fragen sind nicht richtig beantwortet worden.» Hingegen habe es geheissen, dass man nun die Hormontherapie beginnen könne.
«Das ist nicht meine Erwartung gewesen», sagt die Mutter. «Ich habe erwartet, dass wir über das Thema reden und abklären und irgendwie einen gemeinsamen Weg finden.» In die Hormonbehandlung willigt sie nicht ein. Ihr Kind identifiziert sich heute nicht mehr als trans.
Ein Name fällt immer wieder: Dagmar Pauli. Sie ist Chefärztin der KJPP und hat die Sprechstunde für Geschlechtsidentität vor 13 Jahren ins Leben gerufen und nach eigenen Angaben 300 trans Kinder und Jugendliche begleitet. Sie wehrt sich gegen die Vorwürfe (siehe Box).
Das sagt Dagmar Pauli
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Die Chefärztin der KJPP sagt im Interview mit SRF Investigativ:
«Was wir nie machen, sind irgendwelche medizinischen Behandlungen ohne Einverständnis der Sorgeberechtigten.» Nach einer Sitzung würden keine Massnahmen eingeleitet. «Es kann höchstens sein, dass man sich nach einer Sitzung schon informiert, damit man schon mal Bescheid weiss, was es für Möglichkeiten gibt. Aber es braucht immer mehr Abklärungen, um dann die eigentliche Behandlungsindikation zu stellen.»
Auf den Vorwurf, es würde mit dem Hinweis auf eine Suizidgefahr der Kinder Druck gemacht, weist sie darauf hin, dass 70 Prozent der trans Jugendlichen suizidal seien: «Das ist wirklich schlimm, und das ist viel. Und wenn das in einem Fall so ist, dann können wir es ja den Eltern nicht vorenthalten.» Es sei keine Art von Erpressung, um die Eltern zur Zustimmung zu bewegen.
Sie sieht aber den Punkt, dass Eltern sich unter Druck fühlen: «Ich kann ihnen ja nicht absprechen, wenn sie sich so gefühlt haben. Und ich habe auch Verständnis dafür. Denn es entsteht schon oft ein grosser Druck, wenn die Jugendlichen so leiden.»
Auch von Betroffenen selbst kommt Kritik – etwa von einem 18-Jährigen, der vor drei Jahren, als 15-Jähriger, als Mädchen leben wollte. Wir nennen ihn Cédric.
In der ersten Sitzung an der KJPP sei davon gesprochen worden, dass er Pubertätsblocker nehmen und seine Spermien einfrieren solle. «Einerseits fand ich es toll, dass mir ein Weg aufgezeigt wird. Andererseits war ich überwältigt. Ich habe nicht erwartet, dass es so schnell geht. Im Rückblick würde ich sagen: zu schnell.»
Während der Sprechstunde wird eine Psychotherapie ausserhalb von Zürich vereinbart. Dort werden Cédric zwei Monate nach dem ersten Gespräch in Zürich Pubertätsblocker verschrieben.
Behandlung von trans Personen
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Eine sogenannte Geschlechtsinkongruenz besteht, wenn ein Mensch sein chromosomales Geschlecht anders erlebt als seine subjektiv empfundene Geschlechtsidentität. Seit 2022 klassifiziert die WHO es nicht mehr als «psychische Störung», sondern als «Zustand mit Bezug zur sexuellen Gesundheit».
Leidet eine Person unter diesem Zustand, spricht man von Geschlechtsdysphorie. In der Schweiz muss eine Fachperson die Diagnose stellen, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt.
Folgende medizinische Massnahmen sind unter anderen möglich:
Für trans Frauen:
Eine Hormonbehandlung mit Östrogen
Eine Brustvergrösserung
Entfernung von Penis und Hoden, Aufbau einer «Neo-Vagina»
Für trans Männer:
Eine Hormonbehandlung mit Testosteron
Eine Brustentfernung (Mastektomie)
Die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken
Aufbau eines Penis durch Freilegung der Klitoris oder einer «Phalloplastik»
Bei Jugendlichen können Pubertätsblocker zum Einsatz kommen, um die Begleiterscheinungen (zum Beispiel Brust-Wachstum bei Mädchen, Stimmbruch bei Jungen) aufzuschieben.
Danach leidet Cédric noch mehr, entwickelt eine Depression, seine Knochendichte nimmt gefährlich ab. «Ich bin immer kränker geworden», erzählt er. Er stoppte die Behandlung und identifiziert sich als «zwischen den Geschlechtern».
Dazu sagt Dagmar Pauli: «Wenn Jugendliche im Nachhinein sagen ‹Ja, das war mir selber zu schnell›, dann muss ich sagen: Dann ist ja gut, dass das in diesem Prozess doch immerhin möglich war.» Es seien keine irreversiblen Massnahmen eingeleitet worden.
Eltern treffen Kantonsärztin
Am 15. Januar hat sich ein Teil der Eltern mit Kantonsärztin Christiane Meier getroffen. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich teilt mit, die Schilderungen der Eltern würden ernst genommen, und es würden weitere Abklärungen getroffen.
Stellungnahme der Gesundheitsdirektion
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«Die Gesundheitsdirektion erwartet von den Spitälern und Kliniken, dass die Abklärungen in Bezug auf Geschlechterfragen mit höchster Sorgfalt und im Rahmen einer ganzheitlichen Diagnostik getroffen und allfällige Behandlungen mit äusserster Zurückhaltung vorgenommen werden.
Gerade Minderjährige, die während der Adoleszenz die eigene (Geschlechts-)Identität noch entwickeln, sollen vor Eingriffen geschützt werden, die sie eventuell später bereuen.
Geschlechtsangleichende Operationen sollen bei Minderjährigen nur mit äusserster Zurückhaltung empfohlen werden und wenn dann nur mit Einverständnis der Sorgeberechtigten.»
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