In den Kantonen Basel-Stadt und Neuenburg sind die Religionslosen längst in der Mehrheit, in anderen Kantonen wächst die Gruppe stetig. Grund genug, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, findet der Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz, Andreas Kyriacou.
Eine Umweltorganisation oder der TCS erhalten auch nicht einfach Geld für ihr blosses Dasein, sondern es ist an einen Leistungsauftrag gekoppelt.
Am meisten stört ihn, dass nach wie vor viele Kantone den Landeskirchen Pauschalbeiträge in Millionenhöhe ausschütten – und zwar ohne Auflagen: Eine Umweltorganisation oder der TCS erhielten auch nicht einfach Geld, sondern nur aufgrund eines klaren Leistungsauftrags. Das sei bei den Kirchen eben nicht der Fall.
Jungfreisinnige möchten juristische Personen befreien
Im Kanton Zürich würden jährlich 50 Millionen Franken, im Kanton Bern gar über 70 Millionen an die Landeskirchen verteilt. Besser wäre es deshalb laut Freidenker Kyriacou, wenn die Kantone etwa Seelsorge-Angebote ausschreiben würden, Kirchen und Institutionen könnten sich dann bewerben.
Auch für die Jungfreisinnigen macht diese Privilegierung der Landeskirchen keinen Sinn, wie Vorstandsmitglied Tobias Frehner sagt: «Wir können nicht verstehen, warum ein freiheitlicher Staat für die Finanzierung der Kirchen zuständig sein soll. Die obligatorische Kirchensteuer für juristische Personen muss abgeschafft werden.» Denn sie könnten nicht wie Einzelpersonen einfach austreten, um der Steuer zu entgehen.
Ein Kompromissvorschlag
Bisher sind die Vorstösse der Jungfreisinnigen immer gescheitert. EVP-Nationalrat Marc Jost schlägt als Kompromiss vor, dass Unternehmen zwar weiterhin Kirchensteuer zahlen müssen, dafür aber mitreden dürften. Indem sie die zu berücksichtigende Glaubensgemeinschaft wählen könnten. Damit werde auch die Glaubensfreiheit für Unternehmerinnen und Unternehmer gestärkt.
Die Kirchen tragen mit ihren Angeboten und Dienstleistungen entscheidend dazu bei, dass die Gesellschaft stabil bleibt. Davon profitieren auch die Unternehmen.
Dass Unternehmen Kirchensteuern entrichten müssen, sei von Politik und Volk abgesegnet, entgegnet Dominic Wägli, Kommunikationsleiter der Evangelisch-reformierten Kirche. Er betont den entscheidenden Beitrag der Kirchen an eine stabile Gesellschaft, von der auch die Unternehmen profitierten.
Für Frehner ist klar, dass der Druck auf die Landeskirchen weiter zunehmen wird. Denn die jüngere Generation sei kritischer eingestellt. Die Freidenker-Vereinigung geht davon aus, dass es bereits 2032 mehr Religionslose als Reformierte und Katholiken zusammen geben wird.
Die Gesellschaft ist in allen Themen viel weiter als die Kirchen und urteilt aus einer weltlich-ethischen Perspektive.
In der Schweiz bezeichnet sich rund jeder und jede Dritte als religionslos. Ein weiteres Drittel gehört auf dem Papier zwar einer Religion an, hält sich aber weder für religiös noch spirituell.
Bereits heute sei die Gesellschaft in allen Themen viel weiter als die Kirchen, sagt Kyriacou: Bei der Sterbehilfe, bei der Ehe für alle, bei Präimplantationsdiagnostik – die Bevölkerung sei längst säkular. Sie urteile aus einer weltlich-ethischen Perspektive und wissenschaftlich, aber nicht mehr religiös.
Religiöse Feiertage ebenfalls im Visier
In der Schweiz müsse deshalb die Trennung von Kirche und Staat auf allen Ebenen durchgesetzt werden. So fordert die Freidenker-Vereinigung auch die Abschaffung sämtlicher religiöser Feiertage. Ob es dazu im säkularisierten Volk auch eine Mehrheit geben würde, bleibt offen. Denn bei Weihnachten, Ostern und selbst Pfingsten steht zwar bei den meisten längst nicht mehr der christliche Glaube im Vordergrund, wohl aber Tradition und Kultur.