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Über 50'000 Anfragen Opferhilfe ist gefragt – so steht die Schweiz im Vergleich da

In der Schweiz wird die Opferhilfe immer häufiger in Anspruch genommen. Das Angebot wird weiter ausgebaut.

Steigende Anzahl Beratungen: Im Jahr 2024 hat in über 51'547 Fällen ein Opfer einer Straftat eine Opferberatung in Anspruch genommen. Das zeigen die neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Damit steigt die Zahl der Beratungen durch Opferhilfestellen um fünf Prozent im Vergleich zu 2023. Fast drei Viertel der Opfer oder deren Angehörigen waren Frauen, 18 Prozent waren minderjährig und etwas weniger als die Hälfte waren Schweizer Staatsbürgerin oder Staatsbürger. Die neusten Zahlen des Bundes bestätigen einen Trend, der sich schon seit ein paar Jahren abzeichnet: Die Zahl der Opferberatungen steigt kontinuierlich an.

Das sind die Gründe: Die Leiterin der Opferhilfe im Kanton Bern, Pia Altorfer, vermutet, dass dies unter anderem mit der Sensibilisierung der Öffentlichkeit und auch des Fachpersonals zusammenhängt. «Fachpersonen können Betroffene so ermutigen, sich bei der Opferberatung zu melden.» Zudem würden junge Menschen möglicherweise auch über die sozialen Medien sensibilisiert. Und: «Wir besuchen auch öffentliche Schulen und Berufsschulen, um junge Menschen zum Thema Opferhilfe aufzuklären.» Die Kriminalstatistik zeigt aber auch, dass Gewaltdelikte allgemein zugenommen haben. Auch damit lässt sich der Anstieg der Opferberatungen erklären.

Gewaltszene
Legende: Opferberatungen in der Schweiz sind stark ausgelastet. DPA/ MAURIZIO GAMBARINI

Opferhilfe-Telefonnummer geplant: Künftig soll es in der Schweiz eine zentrale dreistellige Telefonnummer für Opfer von Straftaten geben, die rund um die Uhr erreichbar ist. Ursprünglich war die Inbetriebnahme der Nummer für Anfang November dieses Jahres geplant. Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren teilte Ende März jedoch mit, dass die Einführung um sechs Monate auf den Mai 2026 verschoben wird. Da seit über 20 Jahren keine Kurznummer mehr implementiert wurde, würden entsprechende Erfahrungswerte fehlen, heisst es in der Mitteilung. «Wir hoffen, dass Betroffene mit dem Angebot der zentralen Opferhilfe-Telefonnummer einen einfacheren Zugang zu Opferhilfeleistungen erhalten», sagt Pia Altorfer. Möglich sei, dass die Anzahl Beratungen so weiter steigen wird, die konkreten Auswirkungen sehe man aber erst nach der Einführung.

Betroffene müssen selbst aktiv werden, um die Leistungen zu erhalten, die ihnen zustehen.
Autor: Pia Altorfer Leiterin der Opferhilfe im Kanton Bern

So steht die Schweiz da: Im internationalen Vergleich gilt die Schweizer Opferhilfe als gut ausgebaut. Gemäss dem Opferhilfegesetz, das 1993 in Kraft trat, haben Personen, die Opfer von Straftaten wurden, Anspruch auf staatliche Hilfe. Das heisst: Beratung sowie finanzielle und juristische Unterstützung. Es gebe aber nach wie vor Lücken, sagt Pia Altorfer. Im Gegensatz zu Täterinnen und Tätern müssten Opfer selbstständig einen Anwalt oder eine Anwältin suchen oder aktiv mit der Opferhilfe in Kontakt treten. «Betroffene müssen im Gegensatz zu den Tatpersonen selbst aktiv werden, um die Leistungen zu erhalten, die ihnen zustehen.»

Opferhilfe bei Taten im Ausland: Am Opferhilfegesetz gibt es zudem Kritik, weil der Schutz bei Taten im Ausland beschränkt ist. Im Gegensatz zu Touristinnen und Touristen erhalten Personen, die zum Tatzeitpunkt keinen Wohnsitz in der Schweiz hatten, heute gar keine Hilfestellung in der Schweiz – auch keine kostenlose Beratung. Der Nationalrat will dies ändern und Opfern Zugang zu Hilfsangeboten ermöglichen, wenn sie heute in der Schweiz leben. Betreffen würde dies etwa ukrainische Frauen, die im Krieg vergewaltigt wurden. Der Ständerat hat der Änderung aber bisher nicht zugestimmt.

Hilfe für Betroffene und Angehörige

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SRF 4 News, 10.6.2025, 10 Uhr; herb

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