Der Kanton Bern verlangt neuerdings, dass Plätze in staatlich finanzierten Notschlafstellen nur noch an Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus vergeben werden dürfen – dies machte SRF vor zwei Wochen publik. Angesichts der steigenden Obdachlosenzahlen müssten die Plätze jenen Personen zugutekommen, die ein Anrecht darauf hätten.
Jetzt ist klar, warum der Kanton Bern eingegriffen hat. Eine interne Belegungsstatistik der Stadt Bern, die SRF vorliegt, zeigt: Das Passantenheim Bern mit 60 Betten war 2024 konstant überbelegt. Pikant: 29.5 Prozent der Obdachlosen hatten eine Schweizer Herkunft. Über zwei Drittel kamen aus EU-Ländern (35 Prozent) oder Drittstaaten (35.5 Prozent).
Keine Anfrage für Rückführungen
Die Zahlen der Notschlafstelle für Finta-Personen, die diesen Sommer eröffnet wurde, zeichnen ein ähnliches Bild: Von Juni bis September wurde das Angebot unter anderem von 2 Asylsuchenden, 7 Personen ohne Aufenthaltsbewilligung und 16 Personen mit unbekanntem Aufenthaltsstatus genutzt.
Aus meiner Sicht wären bei EU- oder Efta-Bürgern die Botschaften für deren Unterbringung zuständig.
Für GLP-Stadträtin Corina Liebi sind diese Zahlen der Beweis dafür, dass das Kapazitätsproblem in den Berner Notschlafstellen hausgemacht ist: «Wenn man Personengruppen in den Notschlafstellen hat, die dort eigentlich nicht hingehören – aus meiner Sicht wären bei EU- oder Efta-Bürgern die Botschaften für die Unterbringung der Personen zuständig –, dann haben wir ein Problem. Und da hilft es nichts, wenn die Stadt immer mehr Geld nachschiebt, um das Problem zu lösen.»
Laut Alexander Ott, Chef der Fremdenpolizei, bestünde bei Personen aus EU-Ländern die Möglichkeit, sie in ihr Heimatland zurückzuführen. Auf die Frage, ob die Polizei den Sozialdienst Bern auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht habe, sagt Ott: «Wir haben verschiedene runde Tische mit der Stadt Bern und dort ist dies immer wieder Thema.» Bisher sei die Fremdenpolizei jedoch nicht für eine Rückführung angefragt worden.
Wir leisten Nothilfe und gewähren Schutz und Obdach – über kurze Fristen.
Claudia Hänzi, Leiterin des Sozialamts der Stadt Bern, sagt dazu: «Unsere Partnerorganisationen und auch wir gewähren Schutz und Obdach in einer individuellen Notlage. Das ist ein Menschenrecht und den Inhalt der Menschenrechte kann man politisch nicht verhandeln. Das ist höherrangiges Recht.» Der Sozialdienst habe keinen fremdenpolizeilichen Auftrag.
Dem widerspricht GLP-Stadträtin Corina Liebi: «Die Stadt Bern muss die Bundesgesetze vollziehen, ob es ihr passt oder nicht. Es geht nicht, dass man es aus politischen Gründen nicht macht.»
Nachkredit für Notschlafstelle genehmigt
Am Donnerstagabend bewilligte das Berner Stadtparlament einen neuen Leistungsvertrag mit den Betreibern der Notschlafstellen.
Die Grünliberalen verlangten, dass die Stadt detaillierte Kennzahlen zur Aufenthaltsdauer und Herkunft der Menschen liefere.
Die GLP verlangte – anders als der Kanton – eine zusätzliche Erhebung, die nicht nur finanzielle, sondern auch juristische Fragen aufwerfen würde, sagte Gemeinderätin Ursina Anderegg (GB). Sollten die Daten für einen fremdenpolizeilichen Zweck verwendet werden, würde dies der Bundesverfassung widersprechen.
Der Stadtrat lehnte den GLP-Antrag mit 45 Nein- zu 18 Ja-Stimmen ab. Die neuen Leistungsverträge genehmigte er mit 51 zu 5 Stimmen bei 7 Enthaltungen.
SP-Stadträtin Barbara Keller sagt: «In der Praxis ist es leider ein bisschen schwieriger. Die Leute kommen aus Kriegsgebieten, viele sind psychisch und physisch am Anschlag und befinden sich in einer Notsituation.»
Da ist SVP-Stadtrat Alexander Feuz anderer Meinung: «Wenn Sie die Zahlen anschauen, dann sind die Leute während Wochen hier, und das, obwohl sie rechtlich nicht bleiben dürften.»
Die politischen Positionen sind abgesteckt. Wie das Kapazitätsproblem der Notschlafstellen gelöst wird – das bleibt offen.