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Überlastete Spitäler So will das Berner Oberland Feriengäste vom Notfall weglenken

Wohin mit einer Prellung oder einem Bruch? Eine Website will Feriengäste im Berner Oberland zur richtigen Stelle führen.

Was macht eine amerikanische Touristin, wenn sie sich beim Skifahren auf der Kleinen Scheidegg im Berner Oberland den Fuss verstaucht? Die Chance ist gross, dass sie direkt in den Notfall nach Interlaken fährt. Das Spital ist die naheliegendste Lösung, weil jede und jeder weiss: Dort wird mir sicher geholfen.

Das Problem ist: Feriengäste, die nur leicht verletzt sind, verstopfen den Notfall unnötig – zum Beispiel im Berner Oberland. Dort sind die Logiernächte in den letzten Jahren stetig angestiegen, wie die Destination Jungfrau Region zeigt.

Daniela Wiest, Direktorin der Spitäler Frutigen, Meiringen und Interlaken sagt: «Wir sind jetzt so weit, dass wir die Notfallstationen bei der Ambulanz hin und wieder für ein paar Stunden abmelden müssen, weil wir nicht aufnahmefähig sind.»

Wir haben viele Fälle, die auch vom Hausarzt oder in der Apotheke behandelt werden können.
Autor: Daniela Wiest Direktorin der Spitäler Frutigen, Meringen und Interlaken

Dabei könne das Problem leicht entschärft werden, sagt Wiest: «Wir haben viele Fälle, die auch vom Hausarzt oder in der Apotheke behandelt werden können, etwa Hals- und Ohrenweh oder Blaseninfekte.»

Liste mit Anlaufstellen

Nur: Viele Touristinnen und Touristen wissen gar nicht, dass es Alternativen zum Spital gibt. Wobei das auch für Einheimische gilt. Sie gehen laut Daniela Wiest ebenfalls zu rasch in den Notfall. Darum stellten sich die Spitäler im Berner Oberland die Frage: Wie können wir dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten von Anfang an den richtigen Ort aufsuchen?

Da kam die Idee einer Webseite auf: Eine Plattform, welche die wichtigsten Anlaufstellen auflistet, von der Apotheke bis zum Notruf 144, mit Adressen und Telefonnummern. Eine Version ist Deutsch, die andere Englisch.

Eine Person hält ein Handy in der Hand, auf dem Display steht: Haben Sie ein medizinisches Problem?
Legende: Wer ein medizinisches Problem hat, findet auf «notfall-beo» die wichtigsten Anlaufstellen. ZVG/Spitäler fmi AG

Neben den Spitälern machen auch Hausarztnotfälle, Apotheken und Tourismusorganisationen mit. Letztere sind zentral, weil sie dafür verantwortlich sind, dass die Feriengäste von diesem Angebot erfahren.

Marc Ungerer, Geschäftsführer von Jungfrau Tourismus, erklärt, wie er das angehen will: «Wir bewerben das Angebot auf unseren eigenen Plattformen und informieren auch unsere Partner – Hotels, Herbergen und Ferienwohnungsvermieter.»

Eine koreanische Version der Notfall-Website wird es nicht so bald geben.
Autor: Marc Ungerer Geschäftsführer von Jungfrau Tourismus

Aktuell sei es sowieso ein Thema, auf welchen Kanälen man ausländische Gäste am besten erreiche. «Mithilfe von künstlicher Intelligenz versuchen wir uns laufend zu verbessern», sagt Ungerer. Allerdings: «Eine koreanische Version der Notfall-Website wird es nicht so bald geben.»

Walk-in-Klinik in Interlaken stark frequentiert

Doch auch wenn die neue Webseite fleissig beworben wird: Sucht die amerikanische Touristin mit der leichten Prellung tatsächlich zuerst im Internet nach der richtigen Anlaufstelle? Ist es nicht realistischer, dass sie direkt in den Notfall geht?

Für Spitaldirektorin Daniela Wiest ist die Antwort klar: Ja. «Wenn ich eine Touristin wäre, würde ich mich zuerst beim Hotel-Concierge erkundigen, wo ich hin soll. Schickt er mich in die Apotheke, würde ich dorthin gehen», sagt sie.

Regale, gefüllt mit Medikamenten.
Legende: Apotheken helfen nicht nur bei Bagatellverletzungen. Sie können auch impfen, rezeptpflichtige Medikamente abgeben und Beratungsgespräche anbieten. Keystone/Christian Beutler

Die Walk-in-Klinik am Bahnhof Interlaken sei ein gutes Beispiel dafür, dass alternative Angebote zum Spital genützt werden – wenn die Leute denn davon wissen. Ob die Webseite nur ein Pflaster ist für die angespannte Situation auf dem Notfall oder gar ein Gips – dieser Winter wird es zeigen.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 12.12.2024, 17:30 Uhr ; 

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