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Überlastetes Asylsystem Flüchtlingsströme bringen den Bund an die Kapazitätsgrenze

  • Die Schweiz erlebt aktuell eine Flüchtlingssituation wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
  • Der Bund vergleicht die Lage sogar mit dem Zweiten Weltkrieg.
  • Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ergreift nun Sofortmassnahmen, unter anderem eröffnet es neue Unterkünfte.

Seit Kriegsbeginn hat die Schweiz fast 70'000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Seit August steigt die Zahl der Asylgesuche aus anderen Ländern zudem steil an. Als Sofortmassnahme leitet der Bund die Menschen von den überfüllten Bundesasylzentren früher als geplant an die Kantone weiter, in einer Anfangsphase jene Menschen mit einer Wegweisungsverfügung.

Zudem werden neue Unterbringungen in Betrieb genommen, unter anderem Kasernen, Mehrzweckhallen und Zivilschutzunterkünfte.

Multiple Krisen treiben Zahlen in die Höhe

Die meisten Asylsuchenden stammen aus der Türkei. Dazu kommen Menschen aus nordafrikanischen Ländern und aus Afghanistan. Aktuell werden 800 Gesuche pro Woche gestellt. Im Oktober dürften es über 3000 Asylgesuche werden.

Christine Schraner Burgener, Staatssekretärin für Migration, sagt, dass es solche Zahlen seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben habe. «Wegen Corona konnten viele Menschen in den letzten Jahren nicht reisen.» Die Corona-Pandemie habe aber natürlich auch die Wirtschaft durchgeschüttelt. «Dort, wo die Menschen schon arm waren, wurden sie noch ärmer», so Schraner Burgener.

100'000 Flüchtlinge bis Ende Jahr möglich

Die steigenden Asylzahlen hängen indirekt aber auch mit dem Ukraine-Krieg zusammen. Die erschwerten Weizenexporte aus der Ukraine liessen vor allem in Nordafrika und im Nahen Osten die Weizenpreise enorm steigen.

«Das führt zu mehr Armut und somit zu mehr Migration», so Schraner Burgener. Die SEM-Verantwortliche rechnet damit, dass die Schweiz in diesem Jahr über 100'000 Menschen aufnehmen wird.

Menschen betreten ein Bundesasylzentrum. Zu sehen ist die Beschriftung des Gebäudes.
Legende: Personen stehen an für den Eingang zum Bundesasylzentrum in Boudry NE (März 2022). KEYSTONE/Valentin Flauraud

Im Bundesasylzentrum Zürich leben aktuell 500 Menschen, obwohl das Zentrum nur für maximal 360 Personen konzipiert ist. Schulzimmer und Fitnessraum wurden bereits zu Schlafräumen umfunktioniert. In den Schlafräumen stehen zusätzliche Betten.

«Das ist nicht optimal. Wir bedauern das», sagte David Keller, Leiter des Krisenstabes Asyl beim Bund. «Aber es ist besser, als wenn die Leute draussen schlafen müssten.»

Mehrzweckhallen und Militäranlagen

Als weitere Massnahme stockt das SEM Personal auf, um die Gesuche rascher behandeln zu können, und es eröffnet oder erweitert Unterkünfte, etwa Mehrzweckhallen in Thun BE und Emmen LU oder das Truppenlager Glaubenberg OW.

«Leider müssen wir auch auf unterirdische Zivilschutzunterkünfte zurückgreifen», sagte Schraner Burgener. Das SEM achte darauf, dass dort nur Menschen untergebracht werden, die nicht direkt aus einem Kriegsgebiet beziehungsweise aus einem Bunker in die Schweiz kamen.

Das SEM rechnet damit, dass die Zahl der «normalen» Asylgesuche im Winter abnehmen wird, weil sich wegen der Kälte die sogenannte Balkanroute «beruhigen» dürfte. Im Gegenzug erwartet das SEM – ebenfalls wegen der Kälte – dann wieder mehr Ukraine-Flüchtlinge.

SRF4 News, 27.10.2022, 16 Uhr ; 

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