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Luzerner Gemeinden sollen für fehlende Unterkünfte zahlen
Aus Schweiz aktuell vom 26.10.2022.
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Ukrainische Flüchtlinge Plätze für Flüchtlinge fehlen – Kanton Luzern büsst Gemeinden

Drei Viertel aller Luzerner Gemeinden schaffen es nicht, genügend Unterkünfte für ukrainische Flüchtlinge bereitzustellen.

Die verheerenden Raketenangriffe der Russen auf ukrainische Städte sorgen dafür, dass viele Menschen die Flucht aus dem Kriegsgebiet antreten. Der Bund geht davon aus, dass bis Ende Jahr bis zu 85'000 Menschen aus der Ukraine in die Schweiz kommen könnten. Im Extremfall könnte es sogar bis zu 120'000 sein. Einen Antrag auf den Schutzstatus S haben seit März insgesamt rund 66'000 Personen gestellt. Das sind aktuell also knapp hundert Anträge pro Tag.

Noch mehr Zuweisungen durch Bund möglich

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Die Situation könnte sich in den Gemeinden noch verschärfen. Wie das Staatssekretariat für Migration SEM am Dienstag mitteilte, stossen die Bundesasylzentren an ihre Kapazitätsgrenze. Um allen Asylsuchenden eine Unterkunft zu garantieren, wird ein Teil der Asylsuchenden früher als bisher an die Kantone zugewiesen.

Die Kantone müssen sich darauf einstellen, dass sie vorübergehend bis zu 1000 Asylsuchende pro Woche aufnehmen müssen statt wie bisher 500. Die Personen würden proportional zur Bevölkerung auf die Kantone verteilt.

Die Kantone müssen nun klären, wie sie diese Situation bewältigen wollen. Dabei stellt sich auch immer die Frage, ob die zusätzlichen Asylsuchenden in kantonalen Unterkünften unterkommen oder an die Gemeinden weitergereicht werden.

Im Kanton Solothurn zum Beispiel wird in den nächsten Tagen eine weitere kantonale Unterkunft eröffnet auf dem Balmberg. Das Aargauer Sozialdepartement will ebenfalls zusätzliche Kapazitäten schaffen. Langfristig sei es auch möglich, dass wieder unterirdische Unterkünfte in Betrieb genommen werden müssten, heisst es auf Anfrage.

Die Flüchtenden brauchen in der Schweiz ein Dach über dem Kopf. Eines, welches die Kantone und die Gemeinden zur Verfügung stellen müssen. Das stellt diese vor grosse Herausforderungen.

Kaum leere Wohnungen

Im Kanton Luzern zum Beispiel harzt es gewaltig mit der Suche nach geeigneten Unterkünften für die Flüchtenden. Ein Grund dafür: Der Kanton hat die Suche weitestgehend an die Gemeinden delegiert. Doch diese tun sich schwer.

Der Kanton kennt kein Pardon und macht nun finanziellen Druck: Er verlangt im Moment, dass die Gemeinden pro 1000 Einwohner und Einwohnerinnen 23.5 Plätze für Geflüchtete zur Verfügung stellen – ansonsten müssen sie eine Ersatzabgabe, sprich eine Busse zahlen.

Kanton Luzern büsst Gemeinden

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Im Sozialhilfegesetz hat der Kanton geregelt, dass für diejenigen 64 Gemeinden, die 75 Prozent ihres Aufnahmesolls erst teilweise oder noch nicht erfüllt haben, ab dem 1. September 2022 Ersatzabgaben fällig werden.

Die Höhe der Ersatzabgaben beträgt pro Tag und nicht aufgenommene Person:

  • für die ersten beiden Monate: CHF 10.-
  • ab dem dritten bis zum Ende des vierten Monats: CHF 20.-
  • ab dem fünften bis zum Ende des sechsten Monats: CHF 30.-
  • ab dem siebten Monat: CHF 40.-
  • Die Ersatzabgaben werden an jene Gemeinden umverteilt, die ihr Aufnahme-Soll mehr als erfüllen.

Das Gesundheits- und Sozialdepartement (GSD) hat kürzlich entschieden, die Rechnungsstellung vorerst aufzuschieben. Man wolle erst dann die Rechnung stellen, wenn feststeht, ob die Prognosen des Staatssekretariats für Migration SEM auch tatsächlich eintreffen. Je nachdem müssten neue Berechnungen angestellt werden.

Das sorgt für schlechte Stimmung bei den Gemeinden. Kein Wunder, denn: Von den insgesamt 80 Gemeinden im Kanton Luzern erfüllen nicht weniger als 64 ihr Soll eben nicht. Sie stellen also zu wenig Unterkunftsplätze zur Verfügung.

Bonus-Malus-Zahlungen kommen schlecht an

Eine dieser Gemeinden ist Schötz. Mit heute 4600 Einwohnerinnen und Einwohner ist die Gemeinde in den letzten Jahren stark gewachsen. Leere Wohnungen sind hier - wie vielerorts im Kanton Luzern - rar. Patrik Marbach, Sozialvorsteher von Schötz, steht vor einem Mehrfamilienhaus. «Hier wurde eine Wohnung frei, weil ein Bürger von Schötz gestorben ist. Sie wird ab dem 1. November für Flüchtlinge zur Verfügung stehen.»

Kind und Erwachsene spielen ein Brettspiel
Legende: Ein Zuhause für die ukrainischen Flüchtlinge zu finden, stellt die Luzerner Gemeinden vor Herausforderungen. (Symbolbild) Keystone/ Dominic Steinmann

Doch das reicht bei weitem nicht. Schötz müsste aktuell 106 Personen aufnehmen. Es fehlen 38 Plätze. Kann die Gemeinde kein Zuhause für die Flüchtlinge finden, wird sie vom Kanton zur Kasse gebeten. Das sei unfair, findet Patrik Marbach. «Viele Gemeinden sind nicht glücklich mit diesem Bonus-Malus-System des Kantons», fügt er hinzu. Der Druck sei gross, denn wenn die Gemeinde keine Unterkünfte finde, dann «holt uns das finanziell massiv ein».

Viele Gemeinden sind nicht glücklich mit diesem Bonus-Malus-System des Kantons.
Autor: Patrick Marbach Sozialvorsteher in Schötz

Das Bonus-Malus-System sorge tatsächlich für schlechte Stimmung unter den Gemeinden, bestätigt auch Sibylle Boos. Sie ist Präsidentin des Verbandes Luzerner Gemeinden: «Gewisse Gemeinden verdienen Geld, weil sie mehr Flüchtlinge unterbringen können, als sie müssten. Andere suchen und finden nichts.» Das Ganze hänge wie ein Damoklesschwert über den Gemeinden.

Es braucht den finanziellen Druck.
Autor: Guido Graf Luzerner Regierungsrat

Die Kritik richtet sich an die Luzerner Kantonsregierung, welche dieses System eingeführt hat. Der zuständige Regierungsrat Guido Graf hat zwar Verständnis dafür, dass gewisse Gemeinden reklamieren. Aber die Unterbringung der Menschen aus der Ukraine sei ein drängendes Problem: «Es braucht den finanziellen Druck.»

Man müsse handeln. Nur zusammenzusitzen am runden Tisch, das löse kein Problem. «Es läuft nicht alles gut», gibt sich Guido Graf selbstkritisch. Trotzdem: Was die Gemeinden - und auch seine Leute beim Kanton - leisten, sei extrem. Der Druck sei gross, aber es gehe schliesslich um Menschen.

Und eines sei in der aktuellen Lage ebenfalls klar: Die Suche nach geeigneten Unterkünften für Flüchtende aus der Ukraine werde noch einige Zeit anhalten.

Schweiz Aktuell, 26.10.2022, 19:00 Uhr;

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