Ein Rasentrimmer und ein Laubbläser sorgen für Betrieb bei der Mörigenbucht. Zwei Gemeindearbeiter säubern die Badewiese. Am windigen Seeufer steht Martin Stverak. Er besitzt ein Boot und will weiterhin seine Freizeit auf dem Bielersee geniessen können.
Stverak engagiert sich in der «IG Südufer» für den Seezugang, weil: «Schreibtischtäter aus der Stadt schreiben uns vor, wie wir hier die Natur schützen sollen.» Sein Eindruck: Der Kanton will den Seezugang verbieten.
Ortsansässige fühlen sich «pikiert»
Der Kanton Bern plant, beim Bielersee die Naturschutzgebiete an die Vorgaben von Bund und Kanton anzupassen. Auf dem Papier nehmen die Schutzgebiete heute mehr Platz ein als in der Realität. Künftig würden statt 11 Prozent des Südufers rund 30 Prozent geschützt.
Der Plan sorgt in der Region für Aufregung. Die «IG Südufer» aus Anrainergemeinden und Privatpersonen leistet Widerstand. Neben Stverak gehört auch Frank Helbling dazu. «Wir fühlen uns als Ortsansässige etwas pikiert, schliesslich haben wir die Umgebung jahrzehntelang gepflegt.»
Man werde nun bestraft dafür, dass man das Südufer nicht verbaut habe. Doch was ist konkret geplant? Helbling zeigt dem Ufer entlang nach links: «Hagneck etwa, die Gemeinde mit Kraftwerk und Aaredelta, hätte keinen Zugang mehr zum See. Das ist doch abstrus.»
Wasservögel statt Wassersport
In Hagneck findet sich ein wildes Flussdelta, mit Kiesbänken, Schilf und Bäumen. Vögel flattern in den Bäumen, sitzen im Schilf und auf dem Wasser. Lorenz Fritschi von der Umweltorganisation Pro Natura stoppt vor der Schutzgebiet-Tafel.
Fritschi findet mehr Naturschutz gut: «Klar ist es da vorne schön, aber die Aussicht von hier reicht auch.» Heute sind ein Badestrand und eine Insel mit Flachwasserzone noch zugänglich, doch das soll sich laut den kantonalen Plänen ändern.
Dabei geht auch Fritschi gerne im See schwimmen. Doch das Bedürfnis der Menschen, überall einwassern oder bräteln zu können, hat für den Pro-Natura-Mann keine Priorität, wenn damit der Lebensraum eines Tieres gefährdet wird. «Unser Lebensraum ist riesig, der Platz für gefährdete Arten bereits jetzt sehr klein.»
Kanton schlägt Kompromiss vor
Der Kanton Bern möchte in Hagneck das Schutzgebiet ausweiten. Im Nachbarort Lüscherz hingegen beim Wohngebiet etwas reduzieren. Das sei ein Kompromiss, erklärt die Abteilung Naturförderung des Kantons. Man setze die kantonalen und nationalen Naturschutzvorgaben so ohnehin nur ungenügend um.
Der Druck auf das Seeufer ist hoch. Es ist beliebt und umkämpft - in der ganzen Schweiz. Wo liegt die Grenze beim Naturschutz?
Eine gute Frage, findet Fritschi von Pro Natura: «Die Grenze wäre erreicht, wenn grössere Bevölkerungsgruppen im Alltag stark eingeschränkt würden.» Bereits stark genutzte Gebiete sollten nach Fritschi weiter für den Menschen offen bleiben.
Für den Südufer-Aktivisten Martin Stverak ist die Grenze längst erreicht. Er bringt das Beispiel Gampelen: In der Gemeinde am Neuenburgersee wurde im Naturschutzgebiet ein Campingplatz samt Hafen geschlossen. Das weckt Ängste am Bielersee. «Und nicht nur hier, auch bei anderen Seen, in anderen Kantonen – das geht immer weiter», echauffiert sich Stverak.
Besitzstandswahrung für die Anwohner oder mehr Naturschutz? Diese Frage wird im Seeland weiter Wellen schlagen.