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Ukrainischer Ex-Präsident Schweiz will Gelder von Janukowitsch-Vertrautem übergeben

Die Schweiz unterstützt die Ukraine bei der Einziehung gesperrter Vermögen. Dabei geht es um eine brisante Personalie.

Im Fokus stehen über 100 Millionen Franken Vermögenswerte von Juri Iwanjuschtschenko und seiner Familie, wie der Bundesrat mitteilt. Der Mann sei ein enger Vertrauter des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gewesen, der 2014 bei der Revolution abgesetzt wurde. Die Familie soll die ukrainische Staatskasse geplündert haben.

Die Schweiz hat die Gelder bereits 2014 gesperrt. Seit damals haben die Behörden ermittelt und der Ukraine Rechtshilfe geleistet. Nun will der Bundesrat die Gelder dem ukrainischen Staat übergeben. Genauer gesagt: Er will das Bundesverwaltungsgericht entscheiden lassen, ob die Vermögenswerte eingezogen und zurückgegeben werden können.

Viktor Janukowitsch
Legende: Die Schweiz unterstützt die Ukraine bei der Einziehung von gesperrten Vermögen. Konkret geht es um Vermögenswerte von über 100 Millionen Franken eines Vertrauten des früheren russland-nahen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Keystone/Archiv

Der Bundesrat stützt sich dabei aufs sogenannte Potentatengelder-Gesetz, das seit 2016 in Kraft ist. Demzufolge können Vermögenswerte unter gewissen Voraussetzungen eingezogen werden: Etwa dann, wenn der betroffene Staat versucht hat, die Gelder selber einzuziehen, aber nicht in der Lage dazu ist – etwa, weil der Justizapparat dort nicht mehr funktioniert.

Und genau das sei hier der Fall, sagt die Direktorin des Basel Institute on Governance, Gretta Fenner: «Hier liegt es nicht an einem mangelnden Willen der Ukraine, sondern kriegsbedingt an einer mangelnden Verfügbarkeit. Nun kann das Gesetz genau das zeigen, wofür es eigentlich geschaffen wurde.» So stünden die ukrainischen Behörden seit Ausbruch des Kriegs unter besonderen Schwierigkeiten, die Gelder in der Schweiz einzuziehen, argumentiert der Bundesrat.

Reaktion auf internationalen Druck?

Etwas anders sieht das SVP-Nationalrat Franz Grüter, der auch die Aussenpolitische Kommission seines Rats präsidiert. In Kiew habe soeben die Schweizer Botschaft wieder eröffnet. Da überrasche es ihn, dass die ukrainische Justiz nicht in der Lage sein soll, die Vermögenswerte einzuziehen.

Überhaupt stehe die Schweiz unter internationalem Druck, der Ukraine zu helfen – das habe er selber erlebt, so Grüter: «Bei unserem Besuch in Polen hat uns der Staatspräsident aufgefordert, wir sollten möglichst alle Gelder von russischen Staatsangehörigen einziehen und diese für den Wiederaufbau der Ukraine einsetzen.»

Solche Entscheide wären willkürlich, so Grüter. Er zähle aber aufs Bundesverwaltungsgericht: Dieses entscheidet jetzt über das Einziehungsverfahren, und damit sei ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert.

Wenn der Bundesrat jetzt nicht auf die Idee gekommen wäre, das Gesetz anzuwenden, hätte man das politisch als mangelnden Willen werten müssen.
Autor: Greta Fenner Direktorin des Basel Institute on Governance

Gretta Fenner erwidert, in diesem Fall müsse der Bundesrat das Potentatengelder-Gesetz ohnehin quasi anwenden: «Wenn er jetzt nicht auf die Idee gekommen wäre, das Gesetz anzuwenden, hätte man das politisch als mangelnden Willen werten müssen.» Das Gesetz sei aber für genau solche Situationen geschrieben worden. Der Bundesrat habe rechtsstaatlich begründet entschieden.

Mit den Sanktionen gegen Russland habe der Entscheid nichts zu tun, betont der Bundesrat übrigens: Diese würden auf dem Embargogesetz begründet, und da gehe es darum, politischen Druck zu machen, damit sich ein Staat wieder an das Völkerrecht halte. Im Fall der blockierten ukrainischen Gelder muss nun das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.

Echo der Zeit, 25.05.2022, 18 Uhr

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