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Versteckte russische Vermögen Können Russen Sanktionen umgehen? Anwälte geraten unter Verdacht

Gründen Anwälte für Dritte Firmenkonstrukte, müssen sie nach geltendem Gesetz bei Verdacht auf Geldwäscherei nicht aktiv werden. Mit den gegen Russland verhängten Sanktionen gerät diese Regelung nun unter Druck.

Das hiesige Geldwäschereigesetz – ein Schlupfloch für Oligarchen, die Vermögenswerte vor Sanktionen schützen wollen? Dies wirft die sogenannte Helsinki Commission der Schweiz vor. Stein des Anstosses: die fehlende Sorgfaltspflicht für Anwälte, Notare und andere Berater hierzulande.

Das macht die Helsinki Commission

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Die Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, auch bekannt als U.S. Helsinki Commission , ist eine unabhängige Kommission der US-Regierung. Seit über 45 Jahren überwacht die Kommission die Einhaltung der Helsinki-Vereinbarungen in der 57 Nationen umfassenden OSZE-Region. Im Gremium sitzen prominente Abgeordnete aus dem Senat und dem Repräsentantenhaus sowie Regierungsvertreter.

Wenn Anwältinnen und Anwälte beispielsweise bei der Gründung einer Briefkastenfirma beratend helfen und Geldwäscherei dahinter vermuten, müssen sie keine Meldung erstatten. Umgemünzt auf die Oligarchen-Problematik bedeutet dies: Liegenschaften und Konten von sanktionierten Personen bleiben möglicherweise unentdeckt – denn sie könnten durch Drittfirmen verschleiert werden, deren Aushängeschild nach aussen ein Schweizer Anwalt ist.

Gesetzestreue versus Imageschaden

Marcel Alexander Niggli hat für den Schweizerischen Anwaltsverband in einem Gutachten die Frage geklärt, ob Anwältinnen und Anwälte sanktionierte Kunden melden müssen oder nicht. Seine Antwort: nein. Mit der Meldepflicht, also der Offenlegung von Kundendaten, würde das Anwaltsgeheimnis ausgehebelt, so der Strafrechtsprofessor.

Dass der nun laut gewordene Vorwurf des Schlupflochs am Image der Schweiz kratze, möge sein, sagt Niggli. «Aber die Schweiz gerät auch in Verruf, wenn sie ihre eigenen Gesetze nicht einhält.»

Das Reputationsrisiko ist gewaltig.
Autor: Monika Roth Emeritierte Professorin

Anders beurteilt dies die emeritierte Professorin und Rechtsanwältin Monika Roth. Sie sagt: «Das Reputationsrisiko ist gewaltig.» Die Schweiz als «Gehilfin Putins» – ganz von der Hand zu weisen sei dieser Vorwurf nicht. Zum einen wegen des Anwaltsgeheimnisses, zum anderen, weil Transparenz-Register fehlen. «Man kann nicht herausfinden, wer hinter Briefkastenfirmen steckt.»

Bekämpfung von Geldwäscherei: Register gefordert

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Der Neuenburger SP-Nationalrat Baptiste Hurni am Mikrofon.
Legende: Will mit einem Register die wirtschaftlich Berechtigten von Firmenkonstrukten offenlegen: der Neuenburger SP-Nationalrat Baptiste Hurni. Keystone

NGOs wie Public Eye oder Transparency International fordern zur Bekämpfung von Geldwäscherei mehr Transparenz. Schaffen soll dies unter anderem ein öffentliches Register der wirtschaftlich Berechtigten. Die Offenlegung der sogenannten «real owner» soll verhindern, dass sich Personen hinter Unternehmenskonstrukten verstecken können.

Auf politischer Ebene hat Nationalrat Baptiste Hurni (SP/NE) Ende letztes Jahr eine entsprechende Motion eingereicht. Seine Forderung: «Das Register soll allgemein zugänglich sein und unter anderem über Name, Geburtsdatum, Wohnsitz, Nationalität und Umfang der wirtschaftlichen Berechtigung Auskunft geben.» Der Vorstoss wurde im Parlament noch nicht behandelt, der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

Mit dem Ukraine-Krieg sei eine Situation eingetreten, welche die Schweiz verpflichte, genau hinzuschauen. «Die Schweiz ist ein bedeutender Finanzplatz, Oligarchen nutzen die guten Infrastrukturen und die Rechtssicherheit.»

Ukraine-Krieg dürfte politische Debatte anheizen

Klar ist: Die Kritik der Helsinki Commission ist Zunder für die politische Debatte über das Geldwäschereigesetz, deren Brisanz nie ganz erloschen ist.

Sorgfaltspflicht für Anwälte: Parlament gegen strengere Regeln

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Mitte-Nationalrat und Rechtsanwalt Philipp Matthias Bregy am Mikrofon.
Legende: Bekämpfte die Sorgfaltspflicht im Parlament vehement: der Walliser Mitte-Nationalrat und Rechtsanwalt Philipp Matthias Bregy. Keystone

Der Bundesrat wollte das Geldwäschereigesetz vor gut einem Jahr ausweiten: Anwälte, Notare und andere Berater sollten Sorgfalts- und Meldepflichten einhalten müssen, wenn sie für ihre Kundschaft Firmenstrukturen einrichten oder Tochtergesellschaften gründen. Konkret sollten sie jeden Verdacht auf Geldwäscherei melden müssen. Nicht nur dann, wenn sie selbst Geld in die Hand nehmen oder Geld verschieben – dann sind sie nämlich schon heute meldepflichtig.

Doch die bürgerliche Mehrheit setzte sich am Schluss durch und strich die entsprechenden Passagen aus der Vorlage. Doch schon damals warnte Finanzminister Ueli Maurer, dass die kritischen Stimmen deswegen nicht verstummen würden: «Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Wir werden ihnen bald die nächste Revision mit neuen Lösungen unterbreiten.»

Ständerat Carlo Sommaruga (SP/GE), Präsident der Kommission für Rechtsfragen in der kleinen Kammer, stört sich vor allem daran, dass die Schweiz nicht die gleichen Regeln besitzt wie Europa. In Frankreich und anderen Ländern setze man die Empfehlungen der «Financial Action Task Force» um, einer internationalen Institution zur Bekämpfung von Geldwäscherei. Diesen zufolge sollen Anwälte, die beispielsweise Offshore-Firmen gründen, auf Geldwäscherei hin kontrolliert werden.

Sie können Ihrem Anwalt einen Mord gestehen, er darf sie nicht verraten. Und so muss es für alle Delikte sein.
Autor: Barbara Steinemann Nationalrätin (SVP/ZH)

Nationalrätin Barbara Steinemann (SVP/ZH) dagegen hält den Ball flach. «Wenn im Geldwäscherei-Bereich internationale Kritik kommt, beginnen wir Schweizer schnell zu hyperventilieren.» Das Mitglied der Kommission für Rechtsfragen im Nationalrat glaubt, dass die USA so den Finanzplatz Schweiz schädigen wolle. Wie schon Niggli unterstreicht Steinemann die Bedeutung des Anwaltsgeheimnisses: «Sie können Ihrem Anwalt einen Mord gestehen, er darf sie nicht verraten. Und so muss es für alle Delikte sein.»

Das Staatssekretariat für Wirtschaft klärt derzeit, wie die Auskunftspflicht von Anwälten in Bezug auf die Sanktionen auszulegen ist – also ob das Anwaltsgeheimnis allenfalls doch zu lockern ist. Das Seco hält auf Anfrage aber auch fest: «In Bezug auf die Umsetzung der Sanktionen muss bewusst sein, dass Vermögenswerte von den Banken blockiert und gemeldet werden müssen. Eine Meldung durch die Anwälte und auch Steuerbehörden wäre deshalb nur subsidiär.»

HeuteMorgen, 06.05.2022, 06:00 Uhr

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