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Umfrage zeigt Zweifel Wer ist schuld am Klimawandel?

Der Mensch als Ursache überzeugt viele nicht. Doch dessen Verantwortung sei eindeutig, sagt der Klimaforscher.

Die Schweizer Bevölkerung ist zwar über den Klimawandel besorgt, wie eine Studie der Universität Lausanne zeigt. Aber nur 44 Prozent der Befragten glauben, dass der Klimawandel auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist.

Studie: Klimawandel ja, aber ...

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98 Prozent der Teilnehmer der europäischen Bevölkerungsbefragung «European Social Survey» in der Schweiz zweifeln nicht an der Existenz des Klimawandels. Aber nur 44 Prozent sind der Ansicht, dass menschliche Aktivität hauptsächlich oder vollumfänglich am Klimawandel schuld ist. Obwohl die Mehrheit (66 Prozent) der Meinung ist, sie persönlich müsse einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten, denkt nur eine Minderheit (33 Prozent), dass es eine Auswirkung auf den Klimawandel hat, wenn man seinen eigenen Energiekonsum senkt.

Für mehr als 80 Prozent der Befragten müssen erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie subventioniert werden, um diese zu fördern. Die Studie wurde in der Schweiz von der Universität Lausanne durchgeführt. Befragt wurden rund 1500 Personen, und zwar zwischen September 2016 und Februar 2017.

Klimaforscher Reto Knutti äussert sich dazu, ob die Wissenschaft bei der Kommunikation der Erkenntnisse versagt hat.

Reto Knutti

Klimaforscher

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Der Klimaforscher Reto Knutti ist Professor an der ETH Zürich. Ihn interessieren verschiedene Themen im Zusammenhang mit dem Klimawandel: wie die Bewertung von Klimamodellen, extreme Wetterereignisse und statistisches Lernen. Und er setzt sich aktiv für die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft ein.

SRF News: Ist die öffentliche Meinung, wie sie die Studie gezeigt hat, aus Ihrer Sicht erfreulich oder besorgniserregend?

Reto Knutti: Es ist erfreulich, dass die Schweizer verstanden haben, dass sich das Klima ändert. Das ist auch kein Wunder, wenn man diesen Sommer anschaut. Aber der Klimawandel ist ganz klar menschgemacht. Und das sollte der Bevölkerung und der Politik klar werden.

Haben Sie als Vermittler von wissenschaftlichen Erkenntnissen versagt?

Das Problem ist vielschichtig. Zum einen haben wir es mit einem komplexen wissenschaftlichen Problem zu tun, bei dem Ursachen und Wirkungen manchmal nicht offensichtlich zusammenhängen. Es ist nicht, wie wenn ich mit dem Hammer auf den Finger schlage und dann gleich Schmerzen habe.

Wir überlegen uns dauernd, wie wir unsere Botschaften besser an die Frau und den Mann bringen können.

Zum anderen wird die Kommunikation immer schwieriger – wegen der Polarisierung und der Tatsache, dass die Leute nur noch 20 Minuten oder 20 Sekunden, zum Beispiel auf Twitter, Zeit haben. Es ist aber schwierig, ein komplexes Problem zu erklären, gerade in Zeiten, in denen der Wissenschaftsjournalismus immer mehr abgebaut wird.

Muss die Wissenschaft weniger Statistiken und mehr schockierende Bilder zeigen?

Schockierende Bilder bringen nicht besonders viel. Das gibt kurzfristig viel Lärm, aber die Leute wenden sich sofort ab und denken, dass sie sowieso nichts dagegen tun können. Aber verständlicher kommunizieren könnten wir durchaus. Wir überlegen uns dauernd, wie wir unsere Botschaften besser an die Frau und den Mann bringen können.

Marketing und PR gehören heute dazu?

Ja. Die Forschung ist kompetitiv. Das heisst, wir stehen in Konkurrenz zu anderen Forschungsinstitutionen. Ausserdem hat die Forschung, die von der Öffentlichkeit bezahlt wird, eine Verantwortung, der Öffentlichkeit Informationen zurückzugeben, wenn diese für die Öffentlichkeit relevant sind. Beim Klimawandel ist dies der Fall.

Was sagen Sie zur Behauptung, drei Prozent des CO2 in der Atmosphäre seien menschgemacht?

Diese Aussage ist völlig irreführend. Wenn ein Salat wächst, nimmt er CO2 auf. Aber wenn er verfault oder wenn wir ihn essen und dann ausatmen, dann gibt er das CO2 wieder ab. Dann ist das CO2 wieder in der Atmosphäre, und der natürliche Kreislauf ist geschlossen. Das, was wir zusätzlich in die Atmosphäre bringen, ist, was den Klimawandel verursacht.

Stimmt es, dass Vulkane viel schlimmer sind als das, was die Menschen verursachen?

Nein. Die Vulkane haben nur einen sehr kleinen Beitrag. Der Klimawandel ist zum grössten Teil menschgemacht, zumindest die globale Erwärmung – und das auch für die Schweiz. Viele Auswirkungen, die daraus folgen, sind ebenfalls vom Menschen beeinflusst.

Klimaerwärmungsskeptiker sagen, dass es mit mehr Vegetation mehr Sauerstoff gebe, weil Pflanzen das CO2 aufnehmen würden.

Das stimmt kurzfristig im Treibhaus. Wenn man dem Salat mehr CO2 gibt, wächst er besser, vorausgesetzt, er hat genügend Wasser und Nährstoffe. Aber wenn es plötzlich fünf Grad zu warm ist wie in diesem Sommer, wächst gar nichts mehr, insbesondere wenn das Wasser fehlt. Das heisst, die Biosphäre, das, was wächst, leidet, wenn es ganz warm wird.

Wie gehen Sie mit Fake News um?

Die Wissenschaft tut sich im Moment schwer damit. Wir sind heute in einer Situation, in der jeder behaupten kann, was er will. Das geht bis zum amerikanischen Präsidenten, der seine alternativen Realitäten formulieren kann.

Es lohnt sich gar nicht, eine Debatte zu führen. Wir müssen die Diskussion von den persönlichen Meinungen wegbringen und wieder auf die Fakten zurückkommen, an einen Tisch sitzen und das diskutieren.

Gibt es Momente, in denen Sie selbst am Klimawandel zweifeln?

Wir sind heute mit der Forschung so weit, dass wir klar sagen können: Der Klimawandel ist real, und er ist zum grössten Teil menschgemacht. Er ist ein Problem, das wir lösen müssen, und das wir lösen können. Ich zweifle manchmal daran, ob ich meine Arbeit als Kommunikator gut erledige. Das frage ich mich tatsächlich ab und zu.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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