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Umfragen vor Abstimmungen Wie zuverlässig sind Umfragen vor Abstimmungen?

Die Umfragen liessen einen knappen Ausgang beim Eigenmietwert und ein klares Ja zur E-ID erwarten. Dann kam es anders.

Es wurde hauchdünn am Abstimmungssonntag – allerdings nicht dort, wo viele das erwartet hatten. Die beiden wichtigsten Umfrageinstitute rechneten mit einem eher knappen Ausgang beim Eigenmietwert und einer klaren Sache bei der E-ID. Es kam andersrum. Wo also liegen die Grenzen der Befragungen?

Vor dem Abstimmungssonntag «im Blindflug»

Martina Mousson vom GFS Bern, das im Auftrag der SRG Umfragen durchführt, sagt: «Die Umfragen sind eine Momentaufnahme, die Meinungsbildung ist mit der zweiten Umfragewelle zwölf Tage vor der Abstimmung nicht abgeschlossen.»

Nach diesem Termin führen die Umfrageinstitute aber keine Umfragen mehr durch. Darauf haben sie sich geeinigt, um die Willensbildung im Stimmvolk nicht zu verfälschen. Mousson sagt deshalb: «In den zwölf Tagen vor der Abstimmung sind wir quasi im Blindflug.»

Trend setzt sich nicht zwingend fort

Weil jeweils eine erste und eine zweite Befragung durchgeführt wird, lässt sich zwar eine Tendenz interpretieren, wohin die Meinungsbildung geht. Bei der E-ID-Abstimmung deutete dieser Trend auf ein recht klares Ja, beim Eigenmietwert hingegen auf einen knappen Ausgang hin.

Verlässlich ist diese Fortschreibung allerdings nicht. Lucas Leemann vom Umfrageinstitut Leewas, das für Tamedia die Umfragen durchführt, sagt sogar: «Eigentlich sollten die zweiten Umfrageergebnisse schon ziemlich nahe am Endergebnis liegen.»

Danach einen zwischen den Umfragen erkennbaren Trend fortzuschreiben, sei oft nicht sinnvoll, weil viele Stimmende bereits entschieden hätten.

Leemann weist zudem darauf hin, dass die Umfrageergebnisse vor der Abstimmung zu Eigenmietwert und E-ID nicht sehr weit vom eigentlichen Ergebnis entfernt seien. Tatsächlich betrug er 4 (Leewas) respektive 7 Prozentpunkte (GFS Bern) beim Eigenmietwert. Bei der E-ID waren es 5 (Leewas) respektive 9 Prozentpunkte (GFS Bern).

Nicht immer gleich viel Aufregung

Seit 2020 lagen die letzten Umfragen der beiden Institute im Schnitt knapp 5 Prozentpunkte neben dem tatsächlichen Ergebnis. «Für Aufregung sorgt jeweils, wenn das Umfrageergebnis ein anderes Schlussresultat zeigt, als das Abstimmungsergebnis.»

Das gelte auch, wenn die eigentliche Differenz klein sei. Am Sonntag verursachte vor allem Wirbel, dass sich die Demoskopen quasi übers Kreuz täuschten – wenn auch in überschaubarem Ausmass.

Unerwartetes Nägelkauen: Bei der E-ID wurde es am Ende hauchdünn. Im Bild die Gegner am Abstimmungssonntag.
Legende: Unerwartetes Nägelkauen: Bei der E-ID wurde es am Ende hauchdünn. Im Bild die Gegner am Abstimmungssonntag. KEYSTONE / PETER SCHNEIDER

Anders als Leemann verweist Martina Mousson von GFS Bern auf die Schlussmobilisierung: «Wenn kurz vor der Abstimmung noch stark mobilisiert wird, dann stimmt die Zusammensetzung des Stimmkörpers und der Umfrageteilnehmenden nicht mehr überein.» Das sei an diesem Abstimmungssonntag wohl passiert.

Tendenzen auch ohne Punktlandung erkennbar

Die Befürworter der Abschaffung des Eigenmietwerts hätten vor allem auf dem Land stark mobilisiert. Und das habe auch dem Nein zur E-ID starken Auftrieb gegeben.

Hand mit Stift über Abstimmungszettel zur Volksabstimmung, September 2025.
Legende: Ja oder Nein? Umfrage ist nicht gleich Abstimmung. KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER

Auch wenn es am Sonntag nicht dort eng wurde, wo die Umfragen es vermuten liessen: Mousson verteidigt das Instrument: «Es lässt sich viel herauslesen.» Der Röstigraben und der Geschlechtergraben, die sich nun auch in den Abstimmungsergebnissen gezeigt haben, seien bereits in den Umfragen deutlich geworden. Und auch der Stadt-Land-Graben sei ansatzweise bereits erkennbar gewesen.

Wo man ungefähr landet, lässt sich also auch mit 12 Tagen Blindflug erahnen. Einen exakten Landepunkt lässt aber keine Umfrage erkennen.

Echo der Zeit, 29.09.2025, 18 Uhr;liea

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