Manuel Frei* wohnt in einer Wohngemeinschaft mit fünf anderen Männern. Ihre Wohnung befindet sich in einem Gebäude auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Solothurn in Deitingen.
Seit 23 Jahren sei er im Gefängnis, erzählt Frei. Er ist einer von schweizweit 145 Personen, die verwahrt werden, weil sie rückfallgefährdet und für die Gemeinschaft gefährlich sind.
Nach dem Verbüssen der Strafe bleiben Verwahrte weiterhin im Gefängnis. Dort haben sie ein Anrecht auf ein möglichst normales Leben. Das sei schwierig, erklärt Charles Jakober, Direktor der Justizvollzugsanstalt.
Man müsse den übrigen Gefängnisbetrieb und jenen der Verwahrten trennen. In Deitingen wohnen sechs von zwölf Verwahrten deshalb im ehemaligen Direktorenhaus in einer Wohngemeinschaft.
Zimmer anstatt Gefängniszelle
Nach einer dreijährigen Pilotphase ist die WG jetzt ein fixes Angebot im Strafvollzugskonkordat Nordwest- und Innerschweiz. Es ist ein Novum in der Schweiz. Das Haus hat ein Wohnzimmer und eine Küche, anstatt Gefängniszellen haben die Verwahrten Zimmer.
Dazu kommt ein Gartensitzplatz, auf dem die Insassen im Sommer Tomaten aufziehen. Alle Fenster und der Sitzplatz sind aber vergittert. Von der nahen Autobahn her dröhnt der Verkehr.
«Ich habe mich für das Pilotprojekt beworben und wurde angenommen», erzählt Manuel Frei. Die Gefängnis-WG sei aber nicht für alle geeignet, so Direktor Jakober. Zwei Insassen hätten die WG verlassen müssen. «Sei es, weil sie sich nicht an die Regeln gehalten haben oder nicht mitarbeiten wollten.»
Wie in einer normalen Wohngemeinschaft gibt es auch in der Gefängnis-WG Pflichten. Die Bewohner müssen kochen und putzen. Und sie dürfen nicht dauernd miteinander streiten.
Die sechs Verwahrten sind zudem ständig unter Aufsicht. Es herrsche eine gewisse familiäre Atmosphäre, meint Wohngruppenleiter Gerhard Imfeld. Und er betont die Ruhe im Haus.
So normal wie möglich hinter Gittern
Für Frei passt das WG-Leben: «Um 06:45 Uhr wird man geweckt. Um 07:50 Uhr muss man zur Arbeit ausrücken. Bis zur Mittagspause wird gearbeitet, danach wieder bis 16:15 Uhr. Dann hat man Freizeit, die man nutzen kann, wie man will. Man kann ins Fitness gehen, fernsehen oder am Computer arbeiten. Es hat zwar Gitter rundherum, das Leben ist aber so normal wie möglich.»
Im Gegensatz zum normalen Gefängnis, in welchem der Verwahrte bis vor zweieinhalb Jahren untergebracht war, sei die Wohnsituation viel besser. «Im Gefängnis ist es laut, man nimmt keine Rücksicht aufeinander, es ist ständig schmutzig. In der Kleingruppe ist es jetzt sehr ruhig.»
Lebensqualität im Gefängnis
Mitbestimmung der Insassen, Fitnessstudio, zusammen kochen: Ist das die viel gescholtene Kuscheljustiz? Gefängnisdirektor Charles Jakober verneint: «Wir haben einen Insassen, der seit über 30 Jahren ununterbrochen im Vollzug ist. Im Verwahrungsvollzug kann man seit manchem Jahr nicht mehr die Freiheit draussen geniessen. Und Freiheit ist etwas vom Wichtigsten.»
Die Wohngemeinschaft für Verwahrte im Kanton Solothurn soll jenen Menschen ein bisschen Lebensqualität geben, die vielleicht bis an ihr Lebensende verwahrt bleiben. Denn trotz Fitnessstudio und Zimmern anstatt Zellen bleibt die WG Teil eines Gefängnisses, mit Zäunen und Mauern, Videoüberwachung und Sicherheitsanlagen.
* Name geändert