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«Umpolung» von Homosexuellen «Die ‹Therapie› hat unvorstellbares Leid verursacht»

Schweizweit gibt es Bemühungen, das «Heilen» von Homosexuellen zu verbieten. Betroffene sind meist schwer traumatisiert.

David Gamez ringt um Worte. «Werde ich mit meiner Vergangenheit konfrontiert, kommt alles wieder hoch», sagt der Musikpädagoge. Auch nach Jahren leidet er noch unter den Folgen einer «Umpolungstherapie».

Seine Kindheit verbrachte Gamez in einer evangelikalen Freikirche im Kanton Bern. In solchen streng religiösen Milieus gilt Homosexualität häufig noch immer als Sünde oder Krankheit. Doch Gamez fühlte sich als Teenager zu Männern hingezogen. Er haderte mit sich, fürchtete einen Ausschluss aus der Gemeinschaft.

David Gamez am Piano
Legende: In der Musik findet David Gamez Kraft. Er machte seine Leidenschaft zum Beruf und arbeitet heute als Musikpädagoge. SRF/Luca Laube

Als 18-Jähriger wandte er sich deshalb an einen sogenannten Therapeuten. Der Mann aus freikirchlichem Umfeld versprach Gamez «Heilung» von seiner Homosexualität. Diese sei auf Defizite in seiner Biografie zurückzuführen. «Gemeint ist damit der abwesende Vater oder die überbehütende Mutter», sagt Gamez.

Auf der Suche nach Männlichkeit

Der Therapeut riet Gamez, die männliche Geschlechtsidentität zu stärken. «Ich sollte einen Sportverein besuchen. Oder mir Freunde suchen, die Männlichkeit ausstrahlen.» Über ein halbes Jahr lang besuchte Gamez die Therapie und versuchte, sich zu verändern. Er zerbrach beinahe daran.

Es war ein ständiger Kampf gegen mich selbst.
Autor: David Gamez

«Ständig hatte ich das Gefühl, mit mir stimmt etwas nicht», sagt Gamez. «Die ‹Therapie› hat mich in eine tiefe Krise gestürzt und unvorstellbares Leid verursacht.» Essstörungen und Psychosen begleiteten Gamez in jener Zeit. Später wurde bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

Wie Gamez kämpfen auch andere Betroffene mit den Folgen einer Pseudo-Therapie. «Jugendliche, aber auch Erwachsene leiden oft ein Leben lang darunter», sagt Yv Nay. Nay ist Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und forscht und lehrt unter anderem im Bereich Geschlechtertheorien.

Was genau sind Konversionstherapien?

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  • Die Konversionstherapien sind auch als «Homo-Heilungen» bekannt. Sie werden in der Regel von selbsternannten Therapeuten oder Seelsorgerinnen durchgeführt und nicht von geschulten Fachpersonen.
  • Die Therapien haben zum Ziel, die homosexuelle Orientierung «umzupolen» oder sie versuchen, die Geschlechtsidentität eines Menschen zu verändern.
  • In der Schweiz gibt es bisher keine Zahlen zu den Konversionstherapien. Dass diese weit verbreitet sind, zeigen laut Yv Nay aber Studien aus den USA, Grossbritannien und Australien. In diesen Ländern hätten bis zu neun Prozent der Homosexuellen solche Therapien erlebt. Bei Transmenschen seien es noch mehr.

Nay verurteilt die Therapien scharf – als «invasive und gewaltvolle Eingriffe». In solchen Konversionstherapien werden zum Beispiel immer noch Elektroschocks am Gehirn oder im Genitalbereich angewandt. Dadurch sollen bei Betroffenen Veränderungen stimuliert werden.

Die Schweiz als Schlupfloch

Längst ist jedoch wissenschaftlich bekannt, dass Konversionstherapien wirkungslos und schädlich sind. In vielen Länder wie Deutschland, Frankreich oder Griechenland sind sie deshalb verboten. Auch in der Schweiz laufen auf Bundesebene und in verschiedenen Kantonen ähnliche Bestrebungen.

Wo steht die Schweiz bei einem Verbot?

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Eine Regenbogenfahne
Legende: Homosexuelle Menschen kämpfen für mehr Schutz. Keystone/Peter Klaunzer
  • Auf Bundesebene: Der Nationalrat hat sich im Dezember 2022 für ein Verbot ausgesprochen. Dieses soll für «Umpolungs-Therapien» bei Minderjährigen und jungen Erwachsenen gelten. Nun ist der Ständerat an der Reihe.
  • In den Kantonen: In Kantonen wie Bern oder Neuenburg haben die Parlamente ein Verbot angenommen. Im Kanton Zürich kämpfen derzeit Politikerinnen von links-grünen Parteien, der Mitte und der GLP für ein Verbot.
  • Das sagen Befürworter: «Über Jahre hinweg ist auf Bundesebene nichts passiert», sagt der Zürcher Kantonsrat Florian Heer (Grüne): «Es ist wichtig, dass wir Druck auf Bern machen. So geht es hoffentlich vorwärts.»
  • Das sagen Gegner: «Ein Verbot würde bedeuten, dass wir Hilfe verweigern», sagt der Zürcher Kantonsrat Thomas Lamprecht (EDU): «Vielleicht braucht jemand eine Beratung, weil er nicht weiss, ob er homo- oder heterosexuell ist. Diese Hilfe müssen wir ihm geben.»

Eine schweizweite Regulierung ist aus Sicht von Yv Nay wichtig. «Denn die Schweiz ist zu einem Schlupfloch für sogenannte Therapeutinnen und Therapeuten geworden.» Diese würden wegen Verboten im Ausland vermehrt in die Schweiz ausweichen. Und hier ihre «Heilungen» anbieten.

Auch David Gamez fordert ein Verbot. «Was ich erlebt habe, wünsche ich niemandem», sagt der Musikpädagoge. Sein Glück war, dass er parallel zur freikirchlichen Therapie einen ausgebildeten Psychiater aufsuchte. Und auf einen Verein für homosexuelle Christen stiess.

David Gamez im Porträt
Legende: «Heute pflege ich den Kontakt zu Menschen, die mich verstehen und akzeptieren», sagt David Gamez. Den Glauben hat er hinter sich gelassen. SRF/Luca Laube

Im Verein lernte er Menschen kennen, welche die Therapie ernsthaft versucht hatten. «Sie waren verheiratet, hatten eine Familie gegründet. Und merkten schliesslich, dass sich an ihren Gefühlen doch nichts verändert hatte.»

Ein Verbot würde David Gamez Leidensweg zwar nicht mehr verändern. Doch es könnte anderen helfen: «Es zeigt den Betroffenen auf, dass sie gut sind, wie sie sind. Und dass sie richtig empfinden.»

10vor10, 05.05.2023, 21:50 Uhr ; 

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