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Umstrittene Überbrückungsrente «Wir wollen keine griechischen Verhältnisse»

Schweizer Arbeitnehmer sollen länger im Arbeitsmarkt gehalten werden können. Der Bundesrat hat dazu mehrere Massnahmen vorgestellt. So soll es etwa gratis Laufbahnberatungen für über 40-Jährige geben. Aus- und Weiterbildungen sollen konsequenter anerkannt werden und ausgesteuerte Personen über 60 sollen eine Überbrückungsrente erhalten, bis sie dann effektiv eine AHV-Rente beziehen können. Für SVP-Präsident Albert Rösti ist das ein Widerspruch.

SRF News: Wie zufrieden sind Sie mit diesem Massnahmenpaket des Bundesrates?

Albert Rösti: Es ist zu prüfen, wie wirkungsvoll die allfälligen Integrationsmassnahmen sind. Für uns ist zentral, dass ältere Arbeitnehmende Arbeit haben und nicht verrentet werden. Mit dieser Verrentung können wir überhaupt nicht leben. Es ist für uns völlig unverständlich, was hier eingeführt werden soll.

Sie sprechen die Überbrückungsrente an. Was spricht dagegen?

Wir haben einen Fachkräftemangel. Gleichzeitig wollen wir ältere Arbeitnehmende in Rente schicken, nur weil sie von günstigeren Immigranten verdrängt werden. Wir gehen in Richtung griechische Verhältnisse, in denen ältere Leute einfach abgeschoben werden sollen.

Unternehmen werden von der Verantwortung entbunden.

Der Bundesrat spricht davon, das Rentenalter zu erhöhen, um die AHV finanzieren zu können. Gleichzeitig will man über 60-Jährige in Rente schicken und erklärt, dass die Personenfreizügigkeit wichtig sei. Mit der Personenfreizügigkeit sind in den letzten 13 Jahren eine Million Menschen in die Schweiz eingewandert und haben inländische Arbeitskräfte verdrängt.

«Die Überbrückungsrente wird den Betroffenen helfen»

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Mann mit Brille
Legende: Keystone

Streitpunkt der beschlossenen Massnahmen ist die Überbrückungsrente. Im Gegensatz zu Albert Rösti geht diese Massnahme für Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftbundes, in die richtige Richtung: «Die Überbrückungsrente wird den Betroffenen sehr gut helfen.» Die Massnahme würde Leute betreffen, die sonst in die Sozialhilfe gedrängt werden würden und dort ihr Vorsorgeguthaben aufbrauchen müssten.

Das Argument, die Überbrückungsrente könnte nun als Vorwand dienen, ältere Arbeitnehmer zu entlassen, weil sich der Staat anschliessend darum kümmere, lässt Lampart nicht auf sich sitzen. «Das ist ein falsches Argument. Die Überbrückungsrente ist für Leute, die zwei Jahre arbeitslos sind und nichts gefunden haben.»

Abstriche musste Lampart bei der Forderung hinnehmen, einen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer ab 55 Jahren durchzusetzen. «Hier hatten wir leider keine Mehrheit.» Er betont, dass man aber an diesem Vorschlag festhalten werden.

Das klingt, als gäbe es da einen Automatismus. Doch die Überbrückungsrente bekommt man erst, wenn man ausgesteuert ist. Ist das nicht der richtige Weg?

Der Bundesrat anerkennt, dass es ein Problem mit der Personenfreizügigkeit gibt. In der Sozialhilfe ist die Anzahl Bezüger bei über 55-Jährigen von 20’000 auf 50’000 gestiegen. Unternehmen werden von der Verantwortung entbunden, ältere Arbeitskräfte einzusetzen, weil nach der Arbeitslosigkeit eine Absicherung da ist, auch wenn zuerst die Arbeitslosenkasse bezahlt.

Es ist Symptombekämpfung, wenn man eine Rente gibt, die letztlich nicht finanzierbar ist und unseren Wohlstand kaputt macht.

Der Druck auf die Arbeitnehmer, ältere Leute anzustellen, wird nachlassen, wenn sie günstige Arbeitskräfte aus der EU rekrutieren können.

Der Bundesrat will an der Personenfreizügigkeit festhalten. Er kann vorschlagen, was er will, der SVP passt es nicht, solange die Personenfreizügigkeit in Kraft ist?

Es ist Symptombekämpfung, wenn man eine Rente einführt, die letztlich nicht finanzierbar ist und unseren Wohlstand kaputt macht. Wir wollen, dass Inländer bei der Arbeitssuche bevorzugt werden, die Personenfreizügigkeit aber verhindert das. Durch das Rahmenabkommen können wir die Sache erst recht nicht mehr eigenständig steuern. Es ist letztlich ein Schutz des Wohlstandes in der Schweiz, ein Schutz des Lohnes, ein Schutz des Arbeitsplatzes.

Den Inländervorrang hat das Parlament bereits bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative beschlossen. Dazu kommt, dass die Einwanderung rückläufig ist. Wo liegt das Problem?

Das Parlament hat vor der EU gekuscht und keine echte Umsetzung getroffen. Der Inländervorrang ist reine Bürokratie, die Masseneinwanderungsinitiative wurde nicht umgesetzt. Der Bundesrat hat bei der Einführung der Personenfreizügigkeit von 8’000-10’000 jährlicher Nettozuwanderung gesprochen. Heute sind es 50’000, wenn man die Zuwanderung aus dem Asylbereich hinzunimmt, sind es nach wie vor 80’000.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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