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Umstrittener Vorstoss Wer nicht widerspricht, könnte Organspender werden

Der Aktionsplan für höhere Spenderraten fruchtet nicht. Jetzt wird die Widerspruchslösung neu diskutiert.

  • Mit einem Aktionsplan wollte der Bund die Bevölkerung besser aufklären, damit sich mehr Menschen für eine Organspende entscheiden.
  • Doch nun zeigt sich: Trotz des Aktionsplans hat die Ablehnung sogar noch zugenommen.
  • Nun wird die Politik aktiv und fordert ein Umdenken: Die Widerspruchslösung steht neu zur Debatte.

Franz Immer von Swisstransplant ist enttäuscht: «Seit unserem Start im Jahr 2012 ist die Ablehnungsrate in den Spitälern von 40 Prozent auf mittlerweile 60 Prozent angestiegen.» Denn noch immer kennen die Angehörigen eines Verstorbenen dessen Willen oft nicht – und entscheiden dann gegen eine Organspende.

Zwar habe der Aktionsplan durchaus etwas gebracht. Die Spitäler sind heute besser vernetzt, es wurden Koordinationsstellen geschaffen und Fachpersonen ausgebildet. Aber eben: Die Ablehnungsrate.

In der politischen Debatte wurde in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Aktionsplan verwiesen. Nun da klar ist, dass es mit diesem nicht gelingt, die Spenderrate zu erhöhen, werden Ideen, die bereits einmal abgelehnt wurden, nochmals neu lanciert.

Etwa, dass die Schweiz ein nationales Register führt, in dem von jedem Schweizer hinterlegt ist, ob er seine Organe spenden will oder nicht. Der Bund lehnt ein solches Register ab, es sei zu teuer und aus Datenschutzgründen heikel. Und auch das Parlament hat einen entsprechenden Vorstoss abgelehnt.

Aufklärung oder härtere Bandagen?

Doch FDP-Nationalrat Laurent Wehrli will die Idee des Registers neu lancieren und nochmals einen Vorstoss einreichen. Denn seit das Parlament zuletzt darüber entschieden hat, hätten sich die Zahlen verschlechtert. Noch weiter geht CVP-Politikerin Viola Amherd. Sie will angesichts der jüngsten Zahlen nochmals einen Systemwechsel vorschlagen – zu der sogenannten Widerspruchslösung.

Das bedeutet, dass jeder Mensch ein potenzieller Organspender ist, sofern er dies zu Lebzeiten nicht explizit verneint. Viele Länder kennen dieses System. Etwa Frankreich oder Österreich. Dort liegt die Spenderrate bei 27 beziehungsweise 25 pro Million Einwohner, also viel höher als in der Schweiz.

Neue Töne beim Bund

Auch dieses Thema wurde im Parlament bereits diskutiert – und abgelehnt. Zuletzt 2015 im Zusammenhang mit dem Transplantationsgesetz. Doch sogar das Bundesamt für Gesundheit würde eine erneute Debatte darüber begrüssen. Susanne Nyfeler, beim BAG zuständig für das Transplantationswesen, sagt: «Wenn wir mit all den Massnahmen nicht weiterkommen, muss man alle Karten auf den Tisch legen – und auch die Widerspruchslösung neu diskutieren.» Das sind neue Töne vom Bund.

Doch das Umdenken setzt nicht überall ein. SP-Nationalrätin Silvia Schenker etwa hat damals Nein gesagt zur Widerspruchslösung und sie bleibt bei dieser Meinung. Stattdessen will sie auf bereits bestehenden Strukturen aufbauen: «Ich wäre für eine neue Informationskampagne zum elektronischen Patientendossier, das jetzt vermehrt genutzt werden soll. Das wäre eine gute Gelegenheit, um die Frage der Organspende noch einmal zu diskutieren.»

Tatsächlich ist im Patientendossier ein Platz vorgesehen, an dem die Haltung zur Organspende vermerkt werden kann. Allerdings nur freiwillig. Welchen Weg die Schweiz künftig gehen soll, damit weniger Menschen sterben während sie auf ein Organ warten, ist noch offen. Klar ist, dass die Debatte angesichts der jüngsten Zahlen neu lanciert wird.

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