Der Mann wurde in Bosnien geboren, die Frau in Serbien. Später heirateten die beiden, hatten zwei Töchter und lebten in der Schweiz. Die Ehefrau und die Kinder erwarben zudem die Schweizer Staatsbürgerschaft.
Der Vater wurde 2018 verhaftet, des Kokainhandels beschuldigt, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und für fünf Jahre des Landes verwiesen. Er lebt seither in Bosnien, seine Familie im Kanton Zürich.
Wegen des von allen Schweizer Gerichtsinstanzen bestätigten Landesverweises gelangten der Mann und die Frau an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dort erhielten sie nun recht mit ihrer Klage wegen Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention .
Dieser Artikel garantiert das Recht auf ein Privat- und Familienleben.
Nicht vorbestraft – aber integriert?
Laut den Strassburger Richterinnen und Richtern, darunter auch ein Schweizer, haben die hiesigen Gerichte eine ungenügende Interessenabwägung vorgenommen: Sie hätten das öffentliche Interesse an der Ausweisung eines Kriminellen höher gewichtet als dessen privates Interesse, mit seiner Familie zusammenzuleben, so der EGMR.
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Ausserdem sei nicht berücksichtigt worden, dass sich der Täter nach seiner Verurteilung wegen des Transports von 194 Gramm Kokain korrekt verhalten und eine feste Arbeitsstelle angetreten habe. Es habe auch keine Hinweise gegeben, dass er in Drogenhandel grossen Ausmasses verwickelt sei.
Die Schweizer Gerichte ihrerseits hatten die Ausweisung auch mit der mangelnden Integration des Mannes begründet.
Schwieriges Verhältnis zum EGMR
Das Urteil aus Strassburg kommt nicht überraschend. Der EGMR gewichtet das Recht auf ein Familienleben stets sehr stark und stellt hohe Hürden auf für Landesverweise. Die jüngste Entscheidung im Fall des Ehepaars dürfte das Verhältnis zwischen der Schweiz und dem obersten europäischen Menschenrechtsgerichtshof zusätzlich belasten.
Es ist jetzt schon angespannt. Vor allem die politische Rechte – bis weit in die Mitte hinein – steht dem EGMR spätestens seit dessen Urteil zugunsten der Klimaseniorinnen äusserst kritisch gegenüber. Auch der Bundesrat hat erklärt, wenn auch nicht ausdrücklich, dieses Klima-Urteil ignorieren zu wollen, weil es übergriffig sei.
Die Auseinandersetzung mit dem EGMR in Strassburg dürfte nun noch schärfer werden.