Auf den Werbesäulen im Berner Bahnhof wechseln die Reklamen alle paar Sekunden, in der Stadt ziehen Werbetrams ihre Linien und von den Balkonen in den Aussenquartieren verkünden Fahnen politische Botschaften – wo man hinschaut, Werbung gibt es allenthalben.
Damit soll jetzt Schluss sein. Zumindest, wenn es nach dem Berner Stadtrat geht. Mit 30 gegen 29 Stimmen hat das Stadtparlament einen entsprechenden Vorstoss angenommen: Er ist für ein vollständiges Verbot kommerzieller Werbung im öffentlichen Raum.
Fünf Millionen weniger für die Stadt
Lanciert hat den Vorstoss die Alternative Linke (AL), zusammen mit anderen links-grünen Parteien. AL-Stadtrat Raffael Joggi erklärt die Beweggründe gegenüber Radio SRF so: «Das Leben ist angenehmer, wenn man nicht immer zu kommerziellen Kaufentscheiden gedrängt wird – und das Landschaftsbild sieht auch schöner aus.»
Dass der Stadt Bern dadurch über fünf Millionen Franken entgehen, findet Joggi vertretbar: «Wenn man die Lebensqualität der Stadt Bern verbessern will, muss man Geld in die Finger nehmen.»
Der Konsum bleibt
Das Werbeverbot stösst auf Widerstand – allen voran bei den Direktbetroffenen wie etwa der Goldbach Neo AG, die in der Stadt Bern knapp 2000 Werbeflächen anbietet. Sprecherin Michelle Sameli sagt: «Für uns ist das eine schlechte Nachricht, weil wir aktuell eine Konzession für Bern haben.»
Durch das Verbot fliessen die Werbegelder zu den grossen Internetfirmen.
Ein Plakatverbot erachtet sie nicht als zielführend. «Der Konsum geht dadurch nicht zurück. Vielmehr fliessen die Werbegelder zu den grossen Internetfirmen.»
Mitte findet Verbot «zu wenig nuanciert»
Auch in der Politik kommt das Werbeverbot nicht überall gut an. Davon zeugt die knappe Annahme des Vorstosses. Mitte-Stadträtin Milena Daphinoff kritisiert, das Verbot sei «zu wenig nuanciert»: «Es wird nicht unterschieden zwischen Fremd- und Eigenwerbung.»
Als Vizepräsidentin des städtischen Gewerbeverbands sei für sie klar: «63 Prozent des Kundenstamms von Aussenwerbung sind lokale und regionale KMU – für sie ist ein Verbot fatal.» Oder wie Daphinoff weiter sagt: «Tschüss, Wirtschaftsfreiheit.»
Nun ist es am Gemeinderat, also an der Berner Stadtregierung, ein Gesetz für ein Werbeverbot auszuarbeiten. Im Falle eines Referendums hätte das Berner Stimmvolk das letzte Wort.