Jahrelanger Französisch-Unterricht, aber in den Ferien im Welschland oder in Frankreich spricht man dann doch lieber Englisch. Diese Erfahrung machen viele. Französisch gilt als unbeliebtes Schulfach.
Auch die Schülerinnen und Schüler im Kanton Solothurn haben bei der letzten nationalen Überprüfung 2017 schlecht abgeschnitten. Darauf reagierte der Kanton und lancierte vor einem Jahr ein Projekt, mit dem es unter anderem den «immersiven Unterricht» fördern will. Dabei werden Lektionen wie Mathematik, Turnen oder Zeichnen auf Französisch abgehalten.
Der Hintergrund: Solothurn hat 2022 mit dem Kanton Neuenburg eine Vereinbarung unterschrieben. Solothurn fördert Französisch, Neuenburg Deutsch als erste Fremdsprache. Doch wie funktioniert der Unterricht im Alltag?
Die Klasse antwortet auf Deutsch
Ortstermin in Zuchwil. In einer sechsten Primarklasse steht Zeichnen auf dem Stundenplan. Lehrerin Enola Isler erklärt den Schülerinnen und Schülern eine Aufgabe. «Le nouveau travail, sur une feuille A4.» Dabei hält die Lehrerin das A4-Papier gut sichtbar in die Höhe.
Mit Beispielen und Bildern könne man den Kindern helfen, die Aufträge besser zu verstehen, erklärt Enola Isler. Manchmal seien weitere Erklärungen nötig, in einzelnen Fällen müsse sie auch auf Deutsch wechseln. «Es ist ja keine Französisch-Lektion». Die Lehrerin entscheide, wann sie welche Sprache benutze. Natürlich seien nicht alle Unterrichtsthemen für immersiven Unterricht geeignet, gibt Isler zu.
Während die Lehrerin viel Französisch spricht, antwortet die Klasse fast nur auf Deutsch. Doch die Kinder verstehen schon sehr viele Wörter. Soleil (Sonne), pinceau (Pinsel) oder coquelicot (Mohnblume) sind Begriffe, die sie in dieser Zeichnungslektion neu gelernt haben.
Solothurn als Brückenkanton
Bisher machen 15 Lehrpersonen im Kanton Solothurn mit beim immersiven Unterricht. Anita Falessi, zuständige Projektleiterin beim Volksschulamt, ist froh über die neue Unterrichtsform: «Es bestand Handlungsbedarf. Der Kanton Solothurn ist ein Brückenkanton zwischen West- und Deutschschweiz. Wer Französisch kann, hat mehr Möglichkeiten.»
Längerfristig hilft das nicht nur fürs Französisch, sondern auch für die Mathematik.
Auch aus wissenschaftlicher Sicht sei zweisprachiger Unterricht tatsächlich sinnvoll, betont Gwendoline Lovey, Dozentin für Französisch an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Man stellt fest, dass sich Schülerinnen und Schüler eher trauen, eine Frage zu stellen. Gerade in der Mathematik helfen diese Nachfragen, damit die Aufgaben besser verstanden werden.»
Aus Sicht der Dozentin fördert bilingualer Unterricht also nicht nur die Französisch-Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler. «Längerfristig erzielt man auch bessere Ergebnisse in der Mathematik.»
Kein Stress für die Schülerinnen und Schüler
Doch was denken die «Betroffenen», also die Kinder? Zumindest in der Klasse von Elona Isler scheinen sie sich an den Unterricht auf Französisch gewöhnt zu haben. «Es wird zu einer Gewohnheit. Es ist irgendwie normal», sagt ein Schüler. Und eine Kollegin ergänzt: «Ich höre Wörter, kann mir diese merken und verstehe deshalb besser Französisch.»
Der Kanton Solothurn hofft, dass die guten Erfahrungen unter anderem in Zuchwil nun auch andere Lehrkräfte und Schulen motivieren. Auch sie sollen immersiven Unterricht anbieten und damit – so die Hoffnung – die Lust am Französisch bei den Kindern steigern.