Eigentlich sollten 170 Schülerinnen und Schüler in Wiedlisbach (BE) mit der Feuerwehr einen Brandfall üben. So weit kam es aber nicht. Die Behörden entschieden Ende Mai stattdessen, das denkmalgeschützte Schulhaus von einem Tag auf den anderen zu schliessen.
Notbremse wegen Statikbericht
Was ist passiert? Das 150 Jahre alte Schulhaus ist zwar schon länger sanierungsbedürftig. Wegen der anstehenden Feuerwehrübung erstellten Fachpersonen dann einen neuen Statikbericht.
Kurzfazit: Die Böden des Schulhauses sind teils einsturzgefährdet. Deswegen ordnete die Gemeinde umgehend an, das Schulhaus dichtzumachen. «Seither herrscht Ausnahmezustand», so die zuständige Gemeinderätin Katja Bevilacqua zu Schweiz aktuell.
Open-Air-Unterricht gefällt nicht allen Kindern
Nun unterrichten die Lehrerinnen die Schüler in Provisorien, teilweise sogar unter freiem Himmel. Etwa Mathematik. «Wenn es windet, luftet es die Blätter weg», sagt Primarschüler Livio Weber. Eriona Tushai hingegen findet den Open-Air-Unterricht toll. «Wir haben mehr Spass. Man hat das Gefühl, dass man die Natur um sich hat.»
Die Mehrzweckhalle des Dorfes ist zu einem provisorischen Schulhaus mutiert. Die Kinder verstauen ihre Unterrichtsmaterialien in Plastikboxen. «Ich vermisse mein Schulhaus, es gibt keine richtigen Pulte», so Ben Lengweiler. Ein anderes Kind macht sich Sorgen, dass es den Lernstoff nicht bewältigen kann. «Wir konnten noch nicht so viel arbeiten. Ich hoffe, es wird jetzt besser», so Lyam Andermatt.
Ich vermisse mein Schulhaus, es gibt keine richtigen Pulte.
Gemischte Gefühle haben die Schülerinnen und Schüler also. Lehrerin Renate Glück sieht die positiven Seiten. «Vom sozialen Aspekt ist es klar ein Gewinn. Die Kinder lernen etwa, sich draussen zu konzentrieren. Und wie sie mit Ablenkung umgehen sollen.»
Für die Schulleiterin Beatrice Fischer war die Zwangsräumung der Schule zuerst ein Schock. Auch sie sieht nun die positiven Seiten. «Es hat das Dorf, die Schule und die Menschen näher zusammengebracht», sagt sie zu SRF. Die Lehrpersonen seien rasch in eine Aufbruchsstimmung verfallen.
Das Ereignis hat das Dorf, die Schule und die Menschen näher zusammengebracht
Immerhin konnten die Kinder im Gebäude Abschiedsbotschaften hinterlassen. «Tschüss Schulzimmer, ich werde dich vermissen», steht etwa auf einem Boden. So rasch werden sie nicht in das Gebäude zurückkehren können. Dazu ist zuerst eine umfassende Gesamtsanierung fällig.
Bis die Kinder die Mehrzweckhalle wieder verlassen können, dauert es also noch. Ab Herbst können sie zumindest in ein provisorisches «Container-Schulhaus» umziehen.
Hat die Gemeinde die Sanierung verschlafen?
Trotzdem stellt sich die Frage: Hat die Gemeinde zu wenig genau hingeschaut beim maroden Schulhaus? Seit 20 Jahren ist nämlich klar, dass das 150-jährige Schulhaus saniert werden muss. «Als wir den für die Übung erstellten Statikbericht erhielten, haben wir sofort gehandelt», so Bevilacqua. Es sei eine vorsorgliche Massnahme, im Gebäude keinen Unterricht mehr durchzuführen. Einzelpersonen können das Gebäude nach wie vor betreten.