Die Place de la Palud ist einer der belebtesten Plätze in Lausanne. Hier, vor dem mittelalterlichen Rathaus, bitten normalerweise bezahlte Unterschriftensammelnde von morgens bis abends, von Montag bis Samstag um Unterstützung für politische Anliegen.
Sie sprechen Vorbeigehende an, tragen den Inhalt ihrer Initiativen oder Referenden vor und bitten darum, auf dem Unterschriftenbogen Name, Vorname, Adresse und Unterschrift zu hinterlassen.
Am Dienstagmittag wirkt die Place de la Palud ungewohnt leer. Die Unterschrifteinsammelteams sind verschwunden. Die Tamedia-Zeitungen beschuldigen sie, zu illegalen Mitteln gegriffen zu haben. Sie sollen Personendaten mit falschen Geburtsdaten versehen oder Adressen notiert haben, die es nicht gibt. Der Unterschriftenanteil aus der Waadt war bei gewissen Initiativen auffällig hoch.
2021 tauchten viele Unterschriftensammler in Lausanne auf. Sie wussten gar nicht, wofür sie Unterschriften sammeln.
In der Lausanner Stadtpolitik ist die Jagd auf Unterschriften schon seit Jahren ein Thema. Der grüne Stadtparlamentarier Illias Panchard sagt: «Im Jahr 2021 tauchten viele Unterschriftensammler in Lausanne auf. Sie wussten gar nicht, wofür sie Unterschriften sammeln.»
Kein neues Thema in Lausanne
Weil die Leute, die Unterschriften sammelten, die Themen der Initiativen nicht kannten und Passanten und Passantinnen störten, hätten die Grünen im Stadtparlament ein Postulat deponiert. Die Forderung sei einfach gewesen, so Panchard. Man habe Unternehmen und Unterschriftensammelnde verpflichten wollen, vor Sammelaktionen eine Bewilligung einzuholen, auch, damit deren Arbeitssituation kontrolliert werden kann.
Für eine Bewilligungspflicht bräuchte es im Minimum ein kantonales Gesetz.
Lausannes Stadtregierung habe das Postulat bis zum heutigen Tag nicht beantwortet. Der zuständige Stadtrat, Pierre-Antoine Hildbrand, schreibt dazu auf Anfrage: «Für eine Bewilligungspflicht bräuchte es im Minimum ein kantonales Gesetz.»
Vorstoss im Kantonsrat
Genau darum bemühte sich die grüne Politikerin Rebecca Joly im Kantonsrat. Bereits 2019 verlangte sie im Kantonsrat ein Verbot für bezahltes Unterschriftensammeln. Sie sagt: Man habe bereits gewusst, dass die Unterschriftensammlerinnen und -sammler bezahlt würden und die politischen Anliegen nicht ihre eigenen seien. Man habe verhindern wollen, dass sie die Bürgerinnen und Bürger dazu verleiten, Dinge zu unterschreiben, die sie nicht wollten.
Es wird für uns nun immer schwieriger, für unsere Initiativen oder Referenden Unterschriften zu sammeln. Die Leute glauben uns nicht mehr.
Der Vorstoss von Rebecca Joly war im Waadtländer Kantonsparlament rasch erledigt. Bereits die zuständige Kommission sah im bezahlten Unterschriftensammeln kein Problem, und auch das Parlament lehnte das Anliegen ab.
Joly ist zwar erleichtert, dass der mutmassliche Betrug nun ans Licht kommt, aber sie sagt auch, die Affäre schwäche die demokratischen Institutionen. Und sie erschwere das Unterschriftensammeln ganz allgemein: «Es wird für uns nun immer schwieriger, für unsere Initiativen oder Referenden Unterschriften zu sammeln. Die Leute glauben uns nicht mehr.»
Joly will im Waadtländer Kantonsparlament nochmals ein Verbot fordern. Lieber wäre ihr aber, dass das Bundesparlament die Angelegenheit ein für alle Mal regelt.