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Urnengänge 2024 Auf die Schweiz wartet ein emotionales Abstimmungsjahr

Schon Anfang März stimmt die Schweiz über zwei Volksbegehren ab – die sogenannte Renteninitiative der Jungfreisinnigen, die eine Erhöhung des Rentenalters möchte, und die Initiative für eine 13. AHV-Rente, die von den Linken kommt und die eine Erhöhung der AHV-Renten will.

Die 13. AHV-Rente hat mehr Chancen als die sogenannte Renteninitiative. Politikwissenschaftler Lukas Golder dazu: «Die Emotionen spielen im Moment für die 13. AHV-Rente. Die sachliche Diskussion über die Renteninitiative ist daher schwieriger.» Die Diskussion über die 13. AHV-Rente überdecke die Diskussion über die Renteninitiative.

Emotionales Abstimmungsjahr

Überhaupt könnte es heuer viele emotionale Abstimmungskämpfe geben. Etwa die Prämien­entlastungs­initiative, die Biodiversitäts­initiative sowie die Referenden gegen die Gesetzesänderungen zum Mietrecht und das Referendum gegen den Ausbau der Autobahnen dürften heftig zu reden geben.

Wir sind hier fast zurück in den neunziger Jahren, als die Autopartei gegen die Grünen antrat.
Autor: Lukas Golder Politologe

Vor allem der Ausbau der Autobahnen hat es in sich. Das Thema bewegt alle. Und, so Golder: «Wir sind hier fast zurück in den neunziger Jahren, als die Autopartei gegen die Grünen antrat. Es geht zudem um die Ausrichtung der Verkehrspolitik, die künftige Gestaltung der Schweiz mit dem neuen UVEK-Chef Albert Rösti.»

Darum geht es bei den Vorlagen

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Renteninitiative : Diese Initiative sieht die Erhöhung des Rentenalters von Frauen und Männern auf 66 Jahre vor. Danach soll das Rentenalter mit der Lebenserwartung weiter steigen. Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Renteninitiative. Eine Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung berücksichtige weder die sozialpolitische noch die Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Initiative für eine 13. AHV-Rente : Rentnerinnen und Rentner sollen mit dieser Initiative Anspruch auf eine 13. AHV-Rente erhalten. Eingereicht wurde die Initiative vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Initiative. Sie sehen finanziell keinen Spielraum für eine zusätzliche 13. AHV-Altersrente.

Prämien-Entlastungs-Initiative : Die Initiative will, dass keine versicherte Person mehr als zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien der Grundversicherung bezahlen muss. Dafür sollen Bund und Kantone mehr Prämienverbilligung bezahlen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab, da der Bund neu viel mehr für die Prämienverbilligung zahlen müsste als bisher. Auch National- und Ständerat empfehlen die Initiative zur Ablehnung.

Biodiversitätsinitiative : Die Initiative will den Schutz der Artenvielfalt stärken und deren langfristigen Erhalt sichern. Im Kern fordert sie mehr Flächen und höheren Schutz für Natur, Landschaft und Baukultur sowie mehr Geld für die Erhaltung und Förderung der Vielfalt. Bundesrat und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung.

Initiative «für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» : Die Vorlage verlangt, dass jeder Eingriff in die körperliche und geistige Unversehrtheit einer Person der Zustimmung bedarf. Eine Verweigerung darf weder bestraft werden noch dürfen daraus soziale oder berufliche Nachteile entstehen. Bund und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung.

Kostenbremse-Initiative : Die Gesundheitskosten der obligatorischen Krankenversicherungen sollen mit einer Kostenbremse gesenkt werden. Die obligatorische Krankenversicherung soll sich entsprechend der schweizerischen Wirtschaft und den durchschnittlichen Löhnen entwickeln. Bund und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung.

Auch beim Mietrecht betont Golder: «Das Thema wird stark unterschätzt.» Es bewegt mittlerweile nicht nur die Menschen in den Grossstädten. «Die Schweiz ist ein Volk von Mietern und zudem beschäftigt die Menschen die Teuerung.»

Viele Initiativen gesetzt

Insgesamt sind sechs Initiativen abstimmungsreif. Drei weitere Initiativen müssen im Sommer wegen der auslaufenden Fristen zur Abstimmung kommen: die Kosten­bremse­initiative der Mitte, die die Kosten im Gesundheitswesen eindämmen möchte; die Prämien­entlastungs­initiative der SP, die Prämien reduzieren und nach Einkommen abstufen möchte; und die sogenannte Stopp-Impfpflicht-Initiative.

Dazu könnten dieses Jahr sechs Referenden zustande kommen. Ungewöhnlich viele also.

Referenden zu Autobahnen, Miete, Strom und Pflege

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Jemand legt seinen Wahlzettel in die Urne.
Legende: KEYSTONE/Gaetan Bally

Neben dem Ausbau der Autobahnen und den Referenden zum Mietrecht könnte dieses Jahr auch das Referendum zum «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» zustande kommen.

Ein weiteres Referendum kündigte die Gewerkschaft VPOD zur «einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen» an.

Während die Initiativenflut über die Jahre gesehen etwas abflacht, fällt die zunehmende Menge an Referenden auf. In der letzten Legislatur dürfte hier allerdings auch die Pandemie eine Rolle gespielt haben.

Auf einer Grafik ist zu sehen, dass es seit 2011 immer mehr Initiativen gab als Referenden – bis 2019.
Legende: SRF

Allerdings tragen laut Golder auch andere Faktoren zur zunehmenden Anzahl an Referenden bei: «Das Referendum ist heute wegen der Digitalisierung ein attraktives Instrument geworden», sagt der Politologe. Es ist also einfacher geworden, 50'000 Unterschriften in drei Monaten zu sammeln.

Die Diskussionen werden etwas flacher, weil der Raum in den Medien beschränkt ist.
Autor: Lukas Golder Politologe

Vor allem die Linke nutzt dies. «Die Linke hat bewiesen, dass sie oft referendumsfähig ist und so im eigenen Sinne Politik machen konnte, Position beziehen konnte», so Golder.

Und: Die vielen Abstimmungen wirken sich auf die Meinungsbildung bei der einzelnen Vorlage aus. «Die Diskussionen werden etwas flacher, weil der Raum in den Medien beschränkt ist.» Trotzdem würden sich die Stimmberechtigten auch bei vielen Vorlagen in einem Jahr eine vernünftige Meinung bilden können, so der Politikwissenschaftler.

Tagesschau, 08.01.2024, 19:30 Uhr

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