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Urteil zu Mädchenbeschneidung «Dass jemand bestraft wird, sollte eine präventive Wirkung haben»

Im Kanton Neuenburg ist das schweizweit erste Urteil gegen eine Mutter gefällt worden, die bei ihren Töchtern Genitalverstümmelungen hat vornehmen lassen. Sie wurde zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Den zwei Mädchen waren in Somalia und Äthiopien die äusseren Geschlechtsorgane teilweise oder ganz entfernt worden.

Seit sechs Jahren besteht in der Schweiz ein Gesetz, welches diese Art der Genitalverstümmelung ahndet. Laut Schätzungen sind hierzulande 15'000 Frauen betroffen. Hinter dem Gesetz steht alt SP-Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi. Nach der ersten Verurteilung in der Schweiz hofft sie nun auf eine präventive Wirkung, auch in den Heimatländern der Opfer.

Maria Roth-Bernasconi

alt Nationalrätin

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Maria Roth-Bernasconi sass bis zu ihrem Rücktritt im Herbst 2015 für die Genfer SP im Nationalrat. Sie brachte das Gesetz gegen Genitalverstümmelung, das heute gilt, im Parlament auf den Weg.

SRF News: Acht Monate Gefängnis bedingt für die Mutter, die ihre Töchter beschneiden liess – sind Sie zufrieden mit dem Urteil?

Maria Roth-Bernasconi: Ja, ich bin zufrieden, dass das Gesetz jetzt endlich Anwendung findet. Es ist richtig, dass eine relativ harte Strafe gesprochen wurde. Das heisst, eine Gefängnistrafe. Ich bin aber auch froh, dass sie bedingt ist. Die Richterin wurde damit den Umständen gerecht. Denn die Frau, die diese Mädchen in die Ursprungsländer geschickt hatte, um sie beschneiden zu lassen, kann nicht lesen und ist wahrscheinlich stark kulturell beeinflusst.

Die Richterin wurde mit dem Urteil den Umständen gerecht.

Es wurde eine bedingte Gefängnisstrafe ausgesprochen. Müsste man für eine präventive Wirkung nicht ein härteres Urteil aussprechen?

Schon die Tatsache, dass jemand bestraft wird, und dass klar ist, dass es hier wohnhaften Menschen verboten ist, Mädchen zu beschneiden, sollte eigentlich schon eine Wirkung auf die Prävention dieser grausamen Tradition haben.

Die Beschneidung der zwei Mädchen ist in Afrika erfolgt. Weshalb war eine Verurteilung der Mutter in der Schweiz möglich?

Das ist mit dem neuen Artikel 124 des Strafgesetzbuches nun möglich. Damit dieser tatsächlich eine präventive Wirkung entwickelt, hatte ich damals klar gesagt: Es muss auch möglich sein, Leute zu bestrafen, die ihre Kinder in die Ursprungsländer schicken, um sie dort verstümmeln zu lassen.

Ich will nicht mehr, dass man Mädchen in den Sommerferien in die Ursprungsländer schickt und sie beschnitten zurückkommen.

Ich will nicht mehr, dass man Mädchen zum Beispiel in den Sommerferien in die Ursprungsländer schickt und sie dann als beschnittene Mädchen zurückkommen. Das ist so eine Qual, ein solches Leiden. Das muss wirklich verhindert werden. Für mich sind Menschenrechte universal. Deshalb muss ein Gesetz, das für die Menschenrechte ist, eine Universalbestimmung haben.

Aber da die Beschneidung in diesem Fall in Somalia und Äthiopien stattfand: Müsste man nicht vor Ort gegen diese Praxis vorgehen?

Das sollte man natürlich auch. Das wird ja zum Teil auch gemacht. Gewisse NGOs arbeiten daran. Ich habe zum Beispiel auch mit der Unicef zusammengearbeitet, die ebenfalls gewisse Projekte in diesen Ländern hat. Das eine verhindert das andere nicht. Wenn aber zum Beispiel die Diaspora in der Schweiz sagen kann, bei uns ist das verboten, so hat das eine grosse Wirkung. Wir wissen, dass es sich positiv auswirkt, wenn die, die weggehen, von der Diaspora aus mit den Leuten in den Ursprungsländern sprechen.

Gehen Sie davon aus, dass nun mehr Menschen Anzeigen machen, wenn sie merken, dass jemand Mädchen beschneiden lassen will?

Davon gehe ich aus, jetzt, da es wieder publik gemacht worden ist. Ich denke, auch Lehrpersonen oder Sozialarbeitende sollten sensibilisiert sein und darauf aufmerksam machen. Und sie sollten vor allem auch den Eltern sagen, dass das hier in der Schweiz nicht gemacht werden darf. Wenn sie es trotzdem machen, riskieren sie eine Strafe, sogar eine Gefängnisstrafe. Ich denke, das ist ganz wichtig als Präventionsmassnahme für den Schutz dieser Mädchen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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