Die Schweiz darf einem Kurden Asyl verweigern, wenn er mutmasslich einer Unterorganisation der Arbeiterpartei PKK angehört. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil entschieden. Der Entscheid ist von grosser Bedeutung für hier lebende Kurden und jene, die aus dieser Konfliktregion noch in die Schweiz kommen. Das Urteil habe Folgen für die Schweizer Asylpraxis generell, erklärt SRF-Korrespondent Andreas Stüdli.
SRF News: Ändert sich mit diesem Urteil etwas Grundsätzliches an der Schweizer Asylpraxis?
Andreas Stüdli: Die Schweizer Justiz kann einem Asylbewerber keine strafbaren Handlungen nachweisen, aber aufgrund einer Vermutung wird diesem Asyl verweigert. Das wird die Gerichte sicher weiterhin beschäftigen, auch bei Fällen aus anderen Konfliktgebieten. Asylbewerber stehen hier ganz grundsätzlich in einem Spannungsfeld.
Gewisse Aktivitäten und die geheimen Untergrundorganisationen werden von den Nachrichtendiensten genau verfolgt. Das zeigt sich an diesem Urteil.
Damit sie in der Schweiz Asyl erhalten, müssen sie sich gegen das Regime vor Ort aufgelehnt haben. Wenn sie hier sind, müssen sie beweisen, dass sie keinerlei Kontakte mehr zu diesen Widerstandsorganisationen unterhalten. Das ist eine schwierige Situation. Die Schweizer Flüchtlingshilfe kritisiert genau das in einer Reaktion auf das Urteil. Es rüttle am Fundament des Asylrechts, und es sei bedenklich, dass ein Asylentscheid aufgrund einer Vermutung negativ ausgefallen sei.
Die PKK ist in der Schweiz nicht verboten. Ist das Urteil ein Signal, dass sich diesbezüglich etwas ändern könnte?
Die PKK wird durch das Urteil nicht verboten. Sie ist in den Nachbarstaaten der Schweiz und in der gesamten EU auf der Liste der terroristischen Vereinigungen und deshalb nicht erlaubt. Auch in den eidgenössischen Räten gab es schon Vorstösse, die ein Verbot der PKK verlangten, diese wurden allerdings abgelehnt.
Allerdings schränkt der Bundesrat die Tätigkeit der PKK in der Schweiz ein. Ihr wurde verboten, Geld einzutreiben, und die Kantone wurden zur Vorsicht bei Kundgebungen aufgefordert. Gewisse Aktivitäten und die geheimen Untergrundorganisationen werden von den Nachrichtendiensten genau verfolgt. Das zeigt sich an diesem Urteil.
Was bedeutet das Urteil nun für die Kurdinnen und Kurden in der Schweiz?
Es hat eine Dimension über den vorliegenden Fall hinaus. Es dürfte mehrere Dutzend Fälle pro Jahr geben, bei denen nun ebenfalls kein Asyl gewährt wird. Das gilt vor allem für Kurden, die weiterhin aus dieser Konfliktregion zwischen Syrien und der Türkei in die Schweiz kommen. Für sie dürfte es nach diesem Grundsatzurteil schwieriger werden, Asyl zu erhalten. Wenn also die neu einreisenden Kurden nur vorläufig aufgenommen werden, dürfen auch ihre Familien nicht nachziehen.
Das hat also Auswirkungen, und es zeigt auch eine gewisse Widersprüchlichkeit dieses Urteils. Der Mann soll zwar eine Gefährdung für die Schweiz darstellen. Aber er wird vorläufig aufgenommen und darf hier bleiben. Denn Rückführungen in die Türkei sind nicht möglich. Die Schweiz hat vor einem Jahr ein entsprechendes Abkommen mit Ankara abgeschlossen. Es wurde aber bislang von beiden Seiten noch nicht ratifiziert.