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Verbot von bezahlten Mandaten Anti-Lobbying-Gesetz fällt im Ständerat durch

Im Rat entfaltete sich eine rege Diskussion um Tugend in der Politik. Am Ende wurde die Vorlage abgeschrieben.

Sind Politiker oder Politikerinnen käuflich? Gerade in einem Milizparlament, wie es die Schweiz kennt, kommt dieser Verdacht immer wieder auf. Etwa wenn eine Nationalrätin oder ein Ständerat in der Energiekommission sitzt und bezahlter Verwaltungsrat eines Stromkonzerns wird. Solche Interessenskonflikte wollte der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder verbieten.

Problem erkannt, Gefahr nicht gebannt

Die Ratskommissionen von National- und Ständerat waren auch dafür – sie bereiten die Ratsgeschäfte jeweils vor. Doch dann stoppte ein Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz den Siegeszug des Anti-Lobbying-Gesetzes: Es sei nicht umsetzbar, weil nicht konform mit der Verfassung. Die ständerätliche Kommission übernahm diese Argumente.

Der parteilose Ständerat Thomas Minder betonte aber: «Das Phänomen, dass Ratsmitglieder von Unternehmen und Organisationen angeheuert werden, sobald bekannt ist, welchen Kommissionen sie angehören, ist unschön und sollte bekämpft werden. Wir haben in der Kommission aber einfach noch nicht den richtigen Lösungsansatz gefunden.»

Weshalb hat man keinen Ansatz gefunden? Mitglieder der meisten Parlamentskommissionen hätten keine bezahlten Mandate mehr annehmen dürfen, damit sie in der Kommission nicht im Sinne der Firmen, für die sie arbeiten, entscheiden könnten. Das sei eine zu grosse Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit der Ratsmitglieder, erklärte Minder.

Sie haben gewünscht, dass wir auf die Verfassung achten – und das tun wir.
Autor: Andrea Caroni Ständerat (FDP/AR)

Und auch eine grosse Ungleichbehandlung: So wollte das Anti-Lobbying-Gesetz etwa die politische Käuflichkeit eines Parlamentariers zulassen, wenn er das Mandat hauptberuflich ausübt, falls es ein Nebenjob ist, wäre es aber verboten. So etwas sei unmöglich, sagte FDP-Ständerat Andrea Caroni: «Das wäre eine absurde und nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Sie haben gewünscht, dass wir auf die Verfassung achten – und das tun wir.»

Der angesprochene Beat Rieder warb in einem langen juristischen Vortrag für das Verbot, bezahlte Mandate anzunehmen. Immer wenn man keine anderen Argumente mehr habe, komme man mit der Verfassung. Er kritisierte auch das eingeholte Gutachten als unvollständig.

Aristoteles in der «Chambre de réflexion»

Mit dem Korruptionsskandal um die griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments habe sein Anliegen zwar gar nichts zu tun, so Rieder. Dennoch zitierte er zum Abschluss seines Votums den griechischen Philosophen Aristoteles: «Wir betrachten die Tugend nicht, um zu wissen, was sie ist, sondern um tugendhaft zu werden; sonst wäre unsere Arbeit zu nichts nütze.»

Davon nicht beeindrucken liess sich SP-Ständerat Daniel Jositsch. Er gab unumwunden zu, dass er gegen das Verbot von bezahlten Mandaten in der Politik sei, weil er das nicht wolle und nicht weil es nicht umsetzbar sei.

Man mache sich zwar beliebt mit solchen Vorstössen, aber das Milizsystem der Schweiz sei richtig, betonte Jositsch: «Das hat zur Folge, dass jemand in seinem Beruf bleibt und damit auch seine Interessenvertretung mit seinen Kenntnissen mit hineinnimmt.»

Ein Politiker, eine Politikerin müsse neben dem Job im Parlament auch noch einen Beruf haben. Wenn man das verbieten wolle, müsse man das System ändern und ein Berufsparlament einrichten. Der Ständerat stimmte schliesslich deutlich für die Abschreibung der Vorlage, sie ist damit vom Tisch.

Rendez-vous, 15.12.2022, 12:30 Uhr

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