- Die Waadtländer Staatsrätin Valérie Dittli muss sich einem Verfahren wegen Amtsmissbrauchs stellen.
- Im Kern geht es um den Vorwurf, sie habe nachträgliche Korrekturen in Steuerakten angeordnet.
- Vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung wird die Mitte-Politikerin von der Staatsanwaltschaft hingegen entlastet.
Die Waadtländer Staatsanwaltschaft leitet ein Strafverfahren gegen Mitte-Staatsrätin Valérie Dittli ein. Sie soll eine Führungsperson in der Verwaltung angewiesen haben, Steuerentscheide nachträglich zu ändern. Laut dem Studer-Bericht, einer externen Untersuchung durch den früheren Neuenburger Regierungsrat Jean Studer (SP), kam es zu einer «schwer beeinträchtigten Zusammenarbeit» zwischen Dittli und ihrer Generaldirektorin für Steuern.
Der Bericht legt nahe, dass Dittli Anträge auf Aufhebung von Steuerveranlagungen stellte, die als «illegal» eingestuft wurden. Um welche Veranlagungen es dabei geht, ist im Detail nicht bekannt. Die Steuerverwaltung verweigerte Dittli laut Medienberichten aber den Zugang zu den entsprechenden Dossiers.
Reiche bezahlten zu wenig Steuern
Die betroffenen Steuerpflichtigen waren laut mehreren Quellen vermögende Personen, die unter die sogenannte «Vermögenssteuerbremse» fielen. Diese Bremse begrenzt die Steuerlast auf maximal 60 Prozent des Einkommens. Offenbar wurde diese Regel jahrelang falsch angewendet, was dazu führte, dass reiche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu tief besteuert wurden – insbesondere unter Dittlis Vorgänger Pascal Broulis (FDP).
Als Dittli 2022 das Amt übernahm, stellte sie fest, dass viele dieser Personen plötzlich höhere Steuerrechnungen erhielten. Sie versuchte daraufhin, diese Veranlagungen rückgängig zu machen, was nun als möglicher Amtsmissbrauch gewertet wird.
Die Behörde bestätigt, dass es dafür Hinweise gebe. Dittli selbst hat vor rund zehn Tagen angeboten, bei der Klärung des Sachverhalts zu helfen.
Amtsgeheimnisverletzung nicht bewiesen
Gleichzeitig stellt die Justiz das Verfahren wegen mutmasslicher Amtsgeheimnisverletzung ein. Dieser Vorwurf liess sich nicht erhärten. Der Grund: Andere Regierungsmitglieder hatten die entsprechenden Informationen bereits zuvor weitergegeben, weshalb sie nicht mehr als geheim galten.
Beide Untersuchungen stehen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Steuerdeckel für reiche Personen im Kanton Waadt. Nach der Prüfung eines Berichts zu einer externen Untersuchung und der vom Staatsrat erstatteten Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung hatte die Waadtländer Justiz im Mai zwei Strafuntersuchungen eröffnet. Für die betroffene Staatsrätin gilt die Unschuldsvermutung.