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Verfassungsgespräche in Genf Foltervorwürfe gegen Mitglied der syrischen Delegation

Seit Mittwoch verhandeln Regierung und Opposition in Genf über eine Lösung des Syrienkonflikts. Gegen ein Mitglied der syrischen Delegation erheben nun mehrere Personen schwere Vorwürfe.

Laut Recherchen von SRF nimmt offenbar ein ehemaliges Mitglied des Syrischen Geheimdienstes an den Gesprächen in Genf teil. Sein Name: Maoued Naser. Er figuriert auf der offiziellen Teilnehmerliste der UNO, auf Videoaufnahmen aus dem Palais des Nations in Genf haben ihn mehrere Personen eindeutig identifiziert. Sie erheben gegen ihn den Vorwurf der Folter.

«Er packte mich an den Haaren»

SRF traf in der Zentralschweiz einen Zeugen. Seit den 1980er-Jahren engagierte sich der Mann, der anonym bleiben möchte, in der syrischen Opposition. Sein erstes Verhör leitete Naser:

«In der Zelle standen wir dicht an dicht, man konnte sich nicht bewegen, es gab kaum Luft. Beim Verhör war Naser dabei. Er hat mich an den Haaren gepackt und hochgehoben, schlug mir so heftig ins Gesicht, dass ich eine Weile nichts mehr sehen konnte.»

Früher hat er selber oft gefoltert.
Autor: Anwar al-Bunni Anwalt

Auch der Anwalt al-Bunni erhebt schwere Vorwürfe: «Maoued Naser war zuletzt Chef der Abteilung ‹Schnelle Intervention›. Sie rücken aus, wenn es Demonstrationen gibt, verhaften die Leute, verprügeln sie und bringen sie in eigene Gefängnisse. Früher, als mittlerer Offizier, hat er selber oft gefoltert, später als Brigadier die Gefangenen, die ihn interessierten.»

Anwar al-Bunni, syrischer Menschenrechtsanwalt, ist wohnhaft in Deutschland. Laut ihm war Naser Mitglied des Syrischen Geheimdienstes, Division 251.

65'116 Personen verschwunden

Der Anwalt al-Bunni gehört dem Netzwerk «Syrian Network for Human Rights» an, das die Namen von insgesamt 65’116 Personen dokumentierte, die seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs verschwanden.

In Deutschland müssen sich nun zwei ehemalige Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen diesen Taten verantworten. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe erhob vor knapp zwei Wochen Anklage gegen zwei Syrer wegen der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Konkret legt die Anklagebehörde einem Syrer Mord in 58 Fällen, Vergewaltigung und schwere Nötigung zur Last. Gegen den zweiten Angeklagten bestehe der «hinreichende Tatverdacht der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit».

Die zwei Angeklagten waren laut dem Bundesanwalt Mitglied des Syrischen Geheimdienstes, Division 251 – so wie laut Zeugenaussagen der nach Genf gereiste Naser.

Auch George Sabra, bekannter Oppositionspolitiker im Exil, hat Masoued Naser identifiziert. Auch Sabra war nach eigenen Angaben ein Opfer von Naser.

Immunität vor Strafverfolgung

Wie kann es sein, dass ein mutmasslicher Folterer an Friedensverhandlungen in Genf teilnimmt? Das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schreibt dazu:

«Die Sitzung des Verfassungsausschusses für Syrien wird unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen abgehalten. Dem EDA ist die öffentliche Teilnehmerliste bekannt. Sie geniessen diplomatischen Status und Immunität von einer Gerichtsbarkeit. Deshalb können sie in der Schweiz nicht strafrechtlich verfolgt werden.»

Naser streitet Vorwürfe ab

SRF konfrontiert Naser via WhatsApp mit den schweren Vorwürfen. Er erklärt, die Vorwürfe seien haltlos, die Zeugenaussagen würden nicht stimmen. Diese hätten das einzige Ziel, die Verfassungsgespräche in Genf zu behindern. Er habe nie als Verhörer gearbeitet, schreibt er.

Maoued Naser befindet sich laut eigenen Aussagen wieder in Syrien.

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