Versprayte Fassaden, viel Verkehr, heruntergekommene Häuser. Und das an bester Lage. Das Mühlefeldquartier liegt fünf Minuten zu Fuss vom Bahnhof Biel, fünfzehn Minuten vom See entfernt. Aber: «Die ganze Gegend steht seit 20 Jahren still», sagt der Hausbesitzer Leo Horlacher. Kein Wunder. Der A5-Westast wäre mitten durch das Quartier gegangen.
Der heute über 80-jährige Leo Horlacher erfuhr 1998 vom Autobahnprojekt. Erst hoffte er, es werde ein Tunnel gebaut: «Wir dachten, das schüttelt vielleicht ein paar Tage und dann ist das vorbei.» Seine Hoffnung wurde schnell begraben, denn geplant wurde ein grosser Autobahnanschluss, dreistöckig, direkt dort, wo sein Haus liegt: «Genau durch unser Haus und Garten hindurch war ein 11-Meter-tiefes Loch geplant», sagt Horlacher.
Leo Horlacher wollte das nicht einfach so hinnehmen und startete mit anderen eine Bürgerbewegung. «Unsere Nachbarschaft machte die grösste Einsprache, nicht nur wegen der Häuser, sondern auch, weil diese Autobahn der falsche Weg ist.»
Es folgte eine jahrelange Ungewissheit. Die Hausbesitzer wurden von den Behörden schriftlich aufgefordert, keine Investitionen zu tätigen, die den Wert des Grundstückes erhöhen. Der Kanton Bern machte den Hausbesitzern ein Kaufangebot. Wer nicht verkaufen wollte, dem drohte die Enteignung.
Meine Frau hat es hier nicht mehr ausgehalten.
Leo Horlacher wehrte sich weiter: «Wir haben unser Haus und damit die Einsprache verteidigt.» Irgendwann wurde der Druck aber zu gross. Er und seine Frau zogen weg. «Meine Frau hat es hier nicht mehr ausgehalten.» Er sei nun über 80-jährig und wollte nicht riskieren, später umziehen zu müssen.
Viele hätten aber verkauft. «Der Nachbar nebenan, der gegenüber, sie haben verkauft. Es sind viele weggezogen», sagt Horlacher.
Der Kanton Bern kaufte insgesamt 26 Häuser und Grundstücke, finanziert zu 87 Prozent durch den Bund. «Das sind Einfamilien- und Reihenhäuser, gewerbliche Bauten wie Autogaragen oder leerstehende Grundstücke», sagt der Vorsteher des bernischen Tiefbauamtes, Stefan Studer. Die Häuser werden seither vermietet. «Was Reparaturen angeht, hat man nur das Dringendste investiert.»
Das merkt auch Elisabeth Gross, die vor vier Jahren zusammen mit ihrer Familie in eines der Häuser des Kantons eingezogen ist – auch wenn sie wusste, dass sie wohl bald ausziehen müssen. Die Lage und die günstige Miete hätten überzeugt. Aber eben: Die alte Küche, der nicht isolierte Wintergarten – da wurde nichts gemacht. Elisabeth Gross hofft, dass sich das nun ändert. Allerdings: Ob ihr Vermieter, der Kanton Bern, das Haus behalten will, weiss er noch nicht. Verkauft er es, dürfte er einen Gewinn machen, da das Quartier ohne Autobahn an Wert gewinnt.
Ein neues Quartier
Mit dem Ende des Westastes öffnet sich der Stadt Biel nun eine einmalige Gelegenheit, ein neues Quartier an einem prominenten Standort komplett neu aufzubauen. Der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr möchte sich noch nicht aus dem Fenster lehnen. Erst müsse der Bund seine Meinung dazu abgeben und dann müssten Biel und Nidau gemeinsam planen. Er gibt aber zu: «Es ist unbestritten, dass es Verdichtungs- und Verbesserungspotential gibt.»
Der Hausbesitzer Leo Horlacher vermutet denn auch, dass bald Investoren kommen und in die Höhe bauen werden. «Auf jeden Fall werden die Mieten steigen.» Denn nun werde das Quartier attraktiver. Dann wird wohl auch Leo Horlacher sein Haus verkaufen. Jetzt, da es nicht einer Autobahn weichen muss.