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Geflüchtete Hockeytalente
Aus Tagesschau vom 22.04.2022.
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Vernetzung durch Swiss Olympic Nun feilen ukrainische Hockeytalente am Bodensee an der Technik

Am Talent-Campus trainieren 23 Kinder und Jugendliche auf dem Eis. Ihre Familien leben teils weiterhin im Kriegsgebiet.

Pucks peitschen an die Banden. Stöcke knallen. Kufen kratzen. Dazwischen immer wieder Pfiffe. Ein normales Eishockey-Training von Jugendlichen in Weinfelden? Nicht ganz. Der Coach gibt seine Anweisungen auf Englisch, illustriert sie gleichzeitig auf einer Tafel, zeigt mehr als üblich selber vor. Denn auf dem Feld stehen unter anderem ukrainische Nachwuchssportler. Nicht nur Leistungsunterschiede gilt es hier zu nivellieren – auch Sprachbarrieren müssen überwunden werden.

Innerhalb von 36 Stunden haben wir ein Schulhaus geräumt, um Schlafplätze zu schaffen.
Autor: André Salamin Gesamtleiter Talent-Campus Bodensee

Ein Blick zurück: Vor rund sechs Wochen, kurz nach 22 Uhr, trifft ein Bus mit über 40 ukrainischen Kindern, Jugendlichen und deren Müttern in Kreuzlingen ein. Hinter ihnen liegt eine mehrtägige Reise von der slowakisch-ukra­inischen Grenze über Budapest an den Bodensee.

Hier, auf dem Talent-Campus einer bilin­gualen Privatschule an der Kreuzlinger Grenze zu Konstanz, werden sie fürs Erste untergebracht. Matratzen, Lattenroste und Bettwäsche hat der Campus in Windeseile aufgetrieben. «Innerhalb von 36 Stunden haben wir ein Schulhaus geräumt, um Schlafplätze zu schaffen», sagt Gesamtleiter André Salamin.

Ukrainischer Lehrplan gibt Takt vor

Mittlerweile ist aus dem Not- ein Regelbetrieb geworden. Die meisten Geflüchteten leben nun in Wohnungen, trainieren regelmässig auf dem Eis. Jetzt wird auch wieder gepaukt. Der ukrainische Lehrplan gibt den Takt vor, auf der Schweizer Stundentafel stehen vor allem Deutsch und Englisch. Eine Übersetzerin hilft. Das Fazit von Nikita Kazantsev (16) nach Schultag 1: «Meine Kollegen und ich schätzen es sehr, hier zu sein. Das ist wirklich cool.»

Kazantsev, einer der wenigen Jugendlichen mit Englisch-Kenntnissen, ist aus besetztem Gebiet geflüchtet. «Mein Nachbar und sein jüngerer Sohn wurden durch Russen getötet.» Ein harter Schlag für ihn und seine Familie. «Meine Grosseltern und mein Vater sind noch immer in der Ukraine. Meine Mutter, mein jüngerer Bruder und ich sind in Sicherheit.»

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Nikita Kazantsev: «Ich bin aus besetztem Gebiet geflüchtet, meine Grosseltern und mein Vater sind noch immer in der Ukraine» (engl.)
Aus News-Clip vom 22.04.2022.
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Ohne Begleitung in die Schweiz gekommen ist derweil Artur Peresypkin (17). Täglich wird telefoniert. «Meine Eltern und Hockeyfreunde fehlen mir am meisten.» Aber er fühle sich wohl bei seiner Gastmutter, die ihn und einen Kollegen aufgenommen habe. «Sie ist sehr nett.»

Dass Artur Peresypkin und Nikita Kazantsev sowie 21 weitere Nachwuchsspieler ausgerechnet im Thurgau gelandet sind, ist kein Zufall. Swiss Ice Hockey hatte eine entsprechende Anfrage des ukrainischen Hockeyverbands. Und der Talent-Campus bot Hand – nicht zuletzt aufgrund des Flüchtlingsprojekts «Coubertin meets Dunant». Swiss Olympic führte die beiden Parteien zusammen.

Flüchtlingsprojekt «Coubertin meets Dunant»

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Zwei Pioniere des 19. Jahrhunderts geben dem Sportprojekt des Talent-Campus Bodensee den Namen: Pierre de Coubertin, Gründer des Internationalen Olympischen Komitees, und Henry B. Dunant, Gründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Das Programm «Coubertin meets Dunant» ist 2022 gestartet. In den nächsten vier Jahren sollen bis zu 15 junge Flüchtlinge die Möglichkeit erhalten, ihr Talent im Sport zu entwickeln.

Die Teilnehmenden erhalten laut Talent-Campus eine Ausbildung in der von ihnen gewählten Sportart und arbeiten gleichzeitig auf einen formalen Bildungsabschluss hin. Das Projekt wird vom Staatssekretariat für Migration (SEM) und dem Bundesamt für Sport (Baspo) unterstützt.

Wie lange die Kinder und Jugendlichen in der Schweiz bleiben, ist ungewiss. «Wir passen derzeit die Reglemente intern so an, dass wir sie auch nächste Saison in den Spielbetrieb integrieren können», sagt Patrick Bloch, Geschäftsführer des Schweizer Eishockeyverbands.

Ob die ukrainischen Gäste bei Saisonstart im August in bestehende Mannschaften integriert werden oder ob es ein separates Team geben wird, sei noch offen.

Nikita Kazantsev (16, links) und Artur Peresypkin (17) beim Lernen.
Legende: Nikita Kazantsev (16, links) und Artur Peresypkin (17) gehen nun am Talent-Campus in Kreuzlingen zur Schule. SRF

Artur Peresypkin und Nikita Kazantsev wären auch längerfristig einem Leben fern der Heimat nicht abgeneigt. Saubere Luft, schöne Berge, hilfsbereite Menschen – die ersten Eindrücke bringen Kazantsev ins Schwärmen. «Ich könnte mir vorstellen, auch in Zukunft hier Hockey zu spielen und in der Schweiz zu studieren.»

Peresypkin pflichtet bei. Hockey sei sein Leben, er setze alles daran, seinem grossen Traum ein Stück näherzukommen. «Ein Platz in der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL.»

Auch diese Verbände kooperieren mit der Ukraine

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Nebst Swiss Ice Hockey haben zahlreiche weitere Schweizer Sportverbände junge Talente aus der Ukraine aufgenommen, wie Swiss Olympic auf Anfrage bekannt gibt. Beispielsweise hat Swiss Cycling in Kooperation mit dem Bundesamt für Sport 27 Nachwuchs-Radrennfahrerinnen und -Radrennfahrer sowie eine Trainerin im nationalen Sportzentrum in Magglingen untergebracht.

Auch Swiss Tennis hat erste Geflüchtete des ukrainischen Tennisverbands aufgenommen und für sie Wohngemeinschaften neben dem nationalen Leistungszentrum Biel gesucht. Der Swiss Aquatics angegliederte Club Carouge Natation wiederum hat die Aufnahme von 44 ukrainischen Wasserballerinnen und Wasserballer des Wasserballclubs Kiews organisiert, darunter 8 Mütter und 36 Minderjährige. Damit sie am hiesigen Meisterschaftsbetrieb teilnehmen können, hat der Club nun eine Ausnahmebewilligung für Lizenzen beantragt.

Teils werden auch für einzelne Sportlerinnen und Sportler Lösungen für Unterkunft und Trainings gesucht, heisst es bei Swiss Olympic weiter. Viele Anfragen seien noch hängig. Swiss Olympic führt eine Übersicht über die aktuellen Kooperationen und hilft in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sport, die betroffenen Verbände und Personen miteinander zu vernetzen. Eine finanzielle Beteiligung gibt es allerdings nicht.

SRF 4 News, 22.04.2022, 11:00 Uhr

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