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Verschwörungstheorien Aussteigerin aus Sasek-Sekte erzählt vom Leben in Fake-News-Welt

Miriam Christ arbeitete beim Online-TV von Sekten-Prediger Ivo Sasek. Einblick in die Verbreitung von Fake-News.

Miriam Christ ist aufgewühlt und nervös. Zum ersten Mal seit ihrem Ausstieg aus der «Organischen Christus Generation OCG» steht sie in Walzenhausen AR vor einem Holzschindelhaus. Darin befindet sich die Zentrale der Sekte von Prediger Ivo Sasek.

Miriam Christ läutet am Eingang. Sie will Ivo Sasek und sein Team fragen, warum die OCG weitermacht – trotz massiver Kritik von aussen. Neun Jahre lang lebte Miriam Christ im innersten Kreis der Sekte. Bis sie 2013 mit 24 Jahren den Ausstieg schaffte.

Am OCG-Eingang öffnet ein Mann die Türe – ein Mitarbeiter von Ivo Sasek. Er erinnert sich an Miriam Christ. Er sagt der Besucherin, sie solle warten. Dann – kurz darauf – lehnt sich ein Sohn des Sektenpredigers aus einem Fenster. Er sagt uns und Miriam Christ, es gebe kein Gespräch: «Pa hat schon alles gesagt und geschrieben, mehr gibt es nicht.»

Im Regieraum des Sekten-TV

Miriam Christ ist 15 Jahre alt, als sich ihre Familie der OCG von Ivo Sasek anschliesst. Schon früh arbeitet sie im Panorama-Studio, das die Werbefilme der OCG produziert. Später wird sie zu einer zentralen Figur im Team, welches das TV- und Filmimperium der OCG führt. 

In Walzenhausen leitet und koordiniert sie die TV-Studios des Saseks-Onlinekanals KLA-TV in der Schweiz. Miriam Christ: «Vor zehn Jahren war ich für die Produktion der verschiedenen KLA-TV-Studios in der Schweiz zuständig. Ich hatte etwa 90 Freiwillige unter mir, die täglich Beiträge geschnitten haben.»

Ein Bild von Miriam Christ
Legende: Miriam Christ ist vor elf Jahren aus der Sekte ausgestiegen. SRF

Wöchentlich bringt «KLA-TV» bis heute Dutzende Beiträge mit Verschwörungstheorien unters Publikum. Vielfach steht Prediger Ivo Sasek selbst vor der Kamera und deckt angebliche Verschwörungen gegen die Menschheit auf.

Seine Lieblingsthemen sind unter anderem «Gender-Agenda», «Corona-Verbrechen», «Wetter-Waffen» oder satanische Verschwörungen. Sasek präsentiert im Netz wirre Theorien und abstruse Weltuntergangsszenarien – und stellt sie als reale Szenarien hin.

Wie recherchiert aber der Sektenprediger seine «Wahrheiten»? Miriam Christ sagt, es finde bei der Produktion der Beiträge weder ein Faktencheck noch eine seriöse Recherche statt. «Heute, wo ich die Kriterien für journalistische Beiträge kenne, weiss ich, dass die Art und Weise, wie OCG oder KLA-TV arbeiten, dem nicht entspricht.»

Der einzige sogenannte Faktencheck, der stattgefunden habe, sei der Klick auf andere Seiten mit Verschwörungstheorien gewesen. «Es ist uns nie gesagt worden, ihr müsst auf seriöse Quellen achten. Die Devise war: Hauptsache, es ist widersprüchlich zu den Massenmedien.»

Eine bizarre Behauptung

SRF konfrontiert Ivo Sasek mit den Vorwürfen. Ein Interview lehnt er ab. Er schickt eine schriftliche Antwort mit einer bizarren Behauptung. «Im Gegensatz zu SRF veröffentlichen wir zu jeder Aussage oder Berichterstattung immer zahlreiche Quellen. Das gibt uns unendlich viel Arbeit. Ihr dagegen stellt eure oft lügenhaften Behauptungen einfach in den Raum und ihr belegt gar nichts», so Sasek. OCG und KLA-TV würden keine Verschwörungstheorien verbreiten.

Miriam Christ hilft vor ihrem Ausstieg mit, Saseks Botschaften zu verbreiten. Heute bereut sie es. «Ja, ich bereue die neun Jahre, die ich in der OCG verbracht habe. Ich bedaure, dass ich neun Jahre von meinem Leben geopfert habe, um Fake News zu bestärken. Natürlich, ich war ein Kind, aber das soll keine Entschuldigung sein. Ich bin in einem Milieu gross geworden, wo es nichts anderes gegeben hat. Wir haben mit Fake News gelebt.»

Nach ihrem Ausstieg studierte Miriam Christ Betriebswirtschaft. Heute ist sie Geschäftsführerin einer IT-Firma.

10 vor 10, 12.03.2024, 21:50 Uhr

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