Es ist kalt und neblig an diesem Dezembermorgen. Auf der Grossbaustelle im Mattenhofquartier in der Stadt Kriens herrscht schon reger Betrieb. Fünf Stockwerke des neuen Wohnkomplexes stehen bereits, sieben sollen es am Ende werden.
Am Start ist auch Polier Pascal Hurschler. Bei Wind und Wetter draussen auf der Baustelle zu arbeiten, sei sein Alltag, sagt er: «Es ist ein harter Beruf. Aber einer der Zukunft hat, weil immer gebaut wird.» Wobei ihm gerade die nahe Zukunft Sorgen bereitet.
Der Grund sind die Verhandlungen um den Landesmantelvertrag – so heisst der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in der Baubranche. Rund 80'000 Menschen arbeiten in der Schweizer Baubranche. Ihre Löhne oder Arbeitszeiten sind in diesem Vertrag geregelt. Ende Jahr läuft er aus.
Ohne Vertrag – keine Kontrollen
Das Ringen von Baumeistern und Gewerkschaften um diesen neuen Vertrag dauert seit Wochen an. Neun Verhandlungsrunden gab es bereits.
Ohne Vertrag bieten wir Lohndumping und Schwarzarbeit eine Plattform.
Die Zehnte muss es richten, sonst droht der Braubranche ab dem 1. Januar ein vertragsloser Zustand. Das wäre verheerend, sagt Polier Pascal Hurschler: «Ohne Vertrag bieten wir Lohndumping und Schwarzarbeit eine Plattform.» Baustellenkontrollen würden dann wegfallen. Kontrollen, die sicherstellen, dass die Arbeiter korrekt angestellt sind und Mindestlöhne sowie Sozialversicherungen bezahlt werden.
Dass ein Landesmantelvertrag wichtig ist, darüber sind sich Gewerkschaft und Baumeisterverband einig. Uneinigkeit herrscht in der Frage, was in dem Vertrag festgehalten werden soll.
Kürzere Arbeitstage vs. flexiblere Arbeitszeiten
Streitpunkte sind zum Beispiel die Dauer der Arbeitstage – die Gewerkschaften fordern kürzere Tage. Zudem soll die Reisezeit zur Baustelle bezahlt und der Arbeitszeit angerechnet werden. Guido Schluep, von der Gewerkschaft Syna, ist es wichtig, dass die Bauarbeiter nicht ausgenutzt werden: «Wir garantieren Mindestlöhne, was sehr wichtig ist. Wir garantieren eine Höchstarbeitszeit – nicht 50 Stunden – sondern 40.5 Stunden und es gibt auch mehr Ferien.» All dies sei über dem gesetzlichen Standard.
Die Baumeister auf der anderen Seite wollen flexiblere Arbeitszeiten, angepasst ans Wetter. Ausserdem fordern sie mehr Samstagsarbeit, ohne den üblichen 25-Prozent-Zuschlag. Es würden in der Schweiz jetzt schon die europaweit höchsten Mindestlöhne bezahlt, argumentieren sie.
Um diesen Mindestlohn von rund 5000 Franken zu schützen, brauche es eine Einigung, betont Kurt A. Zurfluh, der Geschäftsführer der Zentralschweizerischen Baumeisterverbände. Denn es gebe aus seiner Sicht Firmen, die einen vertragslosen Zustand ausnützen würden: «Unser Rechtssystem lässt zu, dass man sich im Graubereich bewegen kann. Man sieht es an den Konkursen, die im Baugewerbe zunehmen.»
Die Zeit drängt
Eins ist klar: An einem vertragslosen Zustand hätte niemand Freude. Aber bei den Verhandlungen geht es eben auch um viel Geld. Und um dieses Geld wird hart verhandelt.
Für den Mann vor Ort auf der Baustelle – für Polier Pascal Hurschler – zählt vor allem eines: Dass die Arbeitsbedingungen klar sind. Das helfe beim Fachkräftemangel, der auch in der Baubranche spürbar sei: «Mit dem Vertrag, könnte man die Arbeit attraktiver machen – mit geregelten Löhnen, Arbeitszeiten und Zuschlägen.»
So hofft er, dass sich Gewerkschaft und Baumeisterverband in letzter Minute doch noch einigen.