Die Ausgangslage: Ein Job auf dem Bau geht mit zunehmendem Alter an die körperliche Substanz. Um den Arbeiterinnen und Arbeitern in der Baubranche eine vorzeitige Pensionierung ab 60 Jahren zu ermöglichen, haben der Schweizerische Baumeisterverband und die Gewerkschaften 2003 darum die Stiftung für den «flexiblen Altersrücktritt», kurz FAR gegründet – ein Pionierprojekt. Das Vorsorgewerk zahlt den Bauarbeitenden ab 60 bis 65 Überbrückungsrenten in Höhe von 70 Prozent des letzten Lohnes aus. 2024 waren das fast 500 Millionen Franken. Und seit Einführung des Systems sind laut Gewerkschaften über 30'000 Bauarbeiter vorzeitig in Rente gegangen.
Finanzielle Schieflage: FAR ist eine Art Mischung zwischen der AHV und einer Pensionskasse. Das heisst, die Renten von heute werden mit den Beiträgen von heute finanziert – wie bei der AHV. Dabei übernehmen die Baumeister 6 Prozent der gesamten Beiträge. Die Bauarbeiter 2.25 Prozent über ihren Lohn. Geht nun ein Bauarbeiter mit 60 in Frühpension, dann wird zusätzlich als Sicherheit das ganze Geld für seine Rente bis 65 auf die Seite gelegt. Und zwar aus dem Kapital, das die Stiftung seit 2003 aufgebaut hat. 2024 betrug das Kapital der Stiftung gemäss Geschäftsbericht knapp 820 Millionen Franken. Doch FAR ist seit Jahren in finanzieller Schieflage. Der Grund: Frühpensionierungen nehmen zu – Stichwort Babyboomer – und die Beiträge stagnieren bzw. sind rückläufig.
Harter Entscheid des Stiftungsrates: Die bisherigen Massnahmen des Stiftungsrates, der paritätisch mit Gewerkschaftern und Baumeistern besetzt ist, haben zu wenig bewirkt. Ende 2024 hat das oberste Gremium von FAR eine harte Massnahme verfügt: Per 1. Juli 2025 steigt die Beitragsdauer für eine volle Rente von 15 auf 20 Jahre an. Das heisst, neu muss ein Bauarbeiter vor seiner Frühpension 20 Jahre lang ununterbrochen auf dem Bau gearbeitet haben. Reto Baur, der als Lastwagenchauffeur für eine Baufirma arbeitet und Ende Juli 2025 vorzeitig pensioniert wird, trifft die neue Regel in voller Härte: Statt rund 5000 Franken Überbrückungsrente erhält er noch etwa 3500 Franken. Was ihn am meisten stört: Dass es keine Übergangsregelung gibt. Und Reto Baur dürfte auch kein Einzelfall sein. So liessen sich im vergangenen Jahr über 2000 Bauarbeiter vorzeitig pensionieren.
Sanierung von FAR im Vordergrund: Die Gewerkschaften sagen, eine Erhöhung der Beitragsdauer wollten sie eigentlich verhindern, hätten sich aber im Rahmen der Sanierung von FAR nicht mit allen Forderungen bei den Baumeistern durchsetzen können. Immerhin habe man eine generelle Senkung der Renten und Erhöhung der Beiträge abwenden können. Der Baumeisterverband auf der anderen Seite hat einen Aufschub der Frühpensionierung ab 60 um drei oder sechs Monate vorgeschlagen, um die Finanzen ins Lot zu bringen. Doch diese Massnahme hätten die Gewerkschaften strikt abgelehnt. Laut Gewerkschaft gibt es bei FAR in den Stiftungsstatuten zwar eine Regel für Härtefälle. Doch ob diese im Rahmen der finanziellen Sanierung beispielsweise für Reto Baur überhaupt zum Tragen kommt, bleibt abzuwarten.