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Vincenzo Mascioli Der Asyl-Chef und sein Rezept für Härte, Dialog – und Pasta

Seit fünf Monaten ist Vincenzo Mascioli im Amt als Staatssekretär für Migration. In seinem ersten Interview spricht er über politische Erwartungen, hitzige Debatten und warum er den besten Sugo macht.

Vincenzo Mascioli

Staatssekretär für Migration

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Vincenzo Mascioli ist seit Anfang 2025 Staatssekretär für Migration. Zuvor war er Vizedirektor des SEM. Der ausgebildete Sekundarlehrer ist seit 2005 in verschiedenen Funktionen in der Bundesverwaltung tätig.

SRF News: Wie haben Sie die ersten fünf Monate im Amt erlebt?

Vincenzo Mascioli: Es ist eine wahnsinnig spannende Aufgabe. Ich darf bei einem gesellschaftlich hochemotionalen Thema mitgestalten. Das empfinde ich als Privileg.

Die Bürgerlichen fordern mehr Härte im Asylwesen, die Linke will mehr Menschlichkeit. Wie gehen Sie mit diesem Spannungsfeld um?

Man kommt an Kritik nicht vorbei – egal, wie man entscheidet. Die einen finden etwas zu hart, die anderen nicht streng genug. Entscheidend ist für mich, Kritik einzuordnen: Woher kommt sie, was steckt dahinter? Migration ist ein politisch aufgeladenes Thema, mit dem sich leicht Stimmung machen lässt.

Vincenzo Mascioli und Beat Jans.
Legende: Vincenzo Mascioli mit seinem Chef Justizminister Beat Jans. KEYSTONE / Anthony Anex

Eine Krise erleben Sie momentan in Les Verrières NE. Das Dorf möchte sein Asylzentrum für renitente Asylbewerber loswerden. Wann schliessen Sie es?

Ich verstehe, dass man schnelle Antworten will. Aber bevor etwas verkündet wird, führen wir das direkte Gespräch mit der Gemeinde und dem Kanton. Die Kantone hatten eine Entlastung gefordert – deshalb wurde dieses Zentrum eröffnet. Jetzt müssen alle nochmals an einen Tisch.

Ist das Experiment gescheitert?

Das kann ich so noch nicht sagen. Vielleicht ergibt sich aus der aktuellen Situation auch eine bessere Lösung – im Gespräch mit den Kantonen und der betroffenen Gemeinde. Ziel muss ein neuer, gemeinsamer Umgang mit dieser schwierigen Herausforderung sein.

Von einem europäischen Nachbarn wie Deutschland erwarten wir, dass er sich an rechtsstaatliche Standards hält.

Die neue deutsche Regierung weist vermehrt Asylsuchende an der Grenze ab. Gibt es Fälle, in denen diese Personen in der Schweiz landen?

Bisher hat sich das auf die Schweiz nicht ausgewirkt. Unsere Grenzschutzbehörden und Asylzentren, etwa in der Nord- oder Nordostschweiz, verzeichnen keine Zunahme.

Trotzdem haben Sie rasch reagiert. Kaum hatte Deutschland die Kontrollen verschärft, liess Ihr Staatssekretariat verlauten: Die Schweiz werde Rückweisungen von Asylsuchenden durch Deutschland nicht akzeptieren. Warum?

Weil eine generelle Zurückweisung von Asylsuchenden nicht mit geltendem Recht vereinbar ist. Von einem europäischen Nachbarn wie Deutschland erwarten wir, dass er sich an rechtsstaatliche Standards hält.

Laut meinen beiden Töchtern mache ich die beste Pasta-Sauce.

Bundesrat Jans sagte, mehr Binnengrenzkontrollen seien keine Lösung. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ja. Entscheidend sind funktionierende Kontrollen an den EU-Aussengrenzen. Das ist auch das Ziel der grossen europäischen Asylreform im kommenden Jahr. Dort muss angesetzt werden, nicht mitten in Europa.

Sie stammen selbst aus einer Familie mit Migrationshintergrund, ihr Vater ist aus Italien in die Schweiz eingewandert. Was haben Sie von ihm gelernt?

Wie wichtig und schön es ist, wenn man sich Zeit nimmt zum Einkaufen, zum Kochen und zum Essen. Und laut meinen beiden Töchtern mache ich nun auch die beste Pasta-Sauce.

Das Gespräch führte David Karasek.

Tagesgespräch, 22.5.2025, 13 Uhr ; 

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