Vergangene Woche machte das Dorf Les Verrières im Kanton Neuenburg Schlagzeilen: Hier liegt das schweizweit einzige sogenannte «besondere Bundesasylzentrum», mitten im Wald. An diesen Ort kommen für kurze Zeit Asylsuchende, die in anderen Zentren Ärger machten, den Betrieb massiv störten. Es sind meist Männer aus den Maghrebstaaten, die kaum Aussicht auf Asyl haben – viele von ihnen mit Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat eine abgefackelte Waldhütte: Ein 23-jähriger ägyptischer Asylsuchender hat das Ausflugsziel angezündet. Schon vorher ärgerten sich viele im Dorf über Einbrüche, Diebstähle und andere Vorfälle mit Asylsuchenden aus dem Zentrum. Die Polizei verzeichnete 2024 doppelt so viele Vorfälle in Les Verrières wie in den vorangehenden Jahren, die meisten von Asylsuchenden aus dem Zentrum.
Die Gemeinde hat Bund und Kanton mitgeteilt, dass sie eine Schliessung des Zentrums fordert. «Wenn wir jetzt nichts tun, wird man später sagen: ‹Hättet ihr doch›. Das wollen wir nicht riskieren», sagt Gemeindepräsident Daniel Galster. Gemeindeverwalter Yvan Jeanrenaud ergänzt: «Entweder wird ein Asylsuchender jemanden angreifen oder ein Bewohner von Les Verrières wird Selbstjustiz üben. Das ist eine Frage der Zeit. Deshalb müssen wir den Stecker jetzt ziehen, bevor es passiert.»
Enormer Aufwand für wenige Asylsuchende
Im Zentrum sind durchschnittlich 18 Personen tätig: Betreuung, Sicherheitsleute und medizinisches Personal – in diesem Jahr für durchschnittlich fünf Asylsuchende. Jährliche Betriebskosten: rund 4.7 Millionen Franken.
Davon entfallen rund 3 Millionen allein auf die Sicherheit, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) der «Rundschau» schreibt. Kauf und Umbauten hatten bereits 7.75 Millionen gekostet.
Trotz dieses enormen Aufwands kommt es zu Delikten. Wie ist das möglich? «Das zeigt einfach, dass das Asylsystem hier an seine Grenzen kommt», sagt Daniel Bach, Kommunikationschef des SEM. Ein Bundesasylzentrum sei kein Gefängnis, die Sicherheitsleute keine Polizisten.
Gemeinde profitiert auch vom Zentrum
Für gemeinnützige Arbeiten, die die Asylsuchenden im Rahmen von Beschäftigungsprogrammen erbringen, erhält die Gemeinde einen pauschalen Betrag pro Jahr. Das sind Dienstleistungen wie beispielsweise Schneeräumung bis zum Zentrum. Zur Höhe dieses Betrags wurde Stillschweigen vereinbart, schreibt das SEM. Der Kanton Neuenburg erhalte eine Sicherheitspauschale, letztes Jahr seien es 277'000 Franken gewesen. Weiter bestehen Verträge mit den Gastronomen des Dorfes für das Catering.
Deshalb verfolgt Gemeindepolitikerin Sloane Studer die Diskussion mit gemischten Gefühlen: «Für das Dorf ist es jetzt wichtig, dass dieses Zentrum geschlossen wird, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Aber man darf nicht vergessen, dass es auch einen wirtschaftlichen Teil gibt.» Die Restaurants, der Dorfladen und die Tankstellen im Dorf profitierten davon.
Das Staatssekretariat für Migration hält am Zentrum fest, will jedoch das Gespräch mit der Gemeinde suchen. Der Gemeindepräsident winkt ab: Die Entscheidung der Gemeinde sei unwiderruflich.