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Katharina Maag Merki: «An den Schulen rumpelt es, wie noch nie»
Aus Tagesgespräch vom 20.03.2024. Bild: SRF/Simone Hulliger
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Volksschule im Fokus Bildungsforscherin: «Wir haben ein riesiges Problem»

Die Volksschule steht immer wieder im öffentlichen Fokus. Aktuell sei die Debatte aber besonders dringlich, denn es gebe zwei grosse Problemzonen an den Schweizer Schulen, sagt Katharina Maag Merki. Sie ist Professorin für Theorie und Empirie von schulischen Bildungsprozessen an der Universität Zürich.

Katharina Maag Merki

Katharina Maag Merki

Professorin für Theorie und Empirie schulischer Bildungsprozesse

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Katharina Maag Merki ist seit 2009 Professorin für Pädagogik mit dem Schwerpunkt «Theorie und Empirie schulischer Bildungsprozesse» an der Universität Zürich. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Schulqualitäts- und Schulentwicklungsforschung, Educational Governance, und selbstreguliertes Lernen.

SRF News: Sie sagen, es rumple wie noch nie an Schweizer Schulen. Wo rumpelt es denn?

Katharina Maag Merki: Wir haben klare empirische Befunde, die zeigen, dass wir zwei grosse Problemzonen haben. Die erste betrifft die Qualität der Ausbildung: Bei Beendigung der Volksschule kann ein Viertel der jungen Menschen nicht genügend gut lesen, um einfache Texte zu verstehen. Auch beim Lösen einfacher Mathematikaufgaben bekunden viele Mühe. Das ist ein riesiges Problem, auch im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel, aber natürlich auch aus individuellen Gründen.

Wir haben immer wieder Kinder im untersten Niveau, obwohl sie leistungsfähiger sind als Kinder im obersten Niveau.

Was ist die zweite Problemzone?

Da geht es um den Bildungserfolg: Dieser ist systematisch abhängig vom familiären Bildungshintergrund des Kindes. Das heisst, am Ende der Volksschule haben wir zwischen dem Kind aus einer Familie mit einem hohen Bildungshintergrund und einem mit geringem Bildungshintergrund fast drei Jahre Kompetenzunterschiede: also Kompetenzen, die eigentlich innerhalb von drei Jahren erworben werden. Die einen haben es, die anderen nicht. Ein grosser Teil dieser Unterschiede ist erklärbar mit dem familiären Bildungshintergrund.

Vorne scharf ein Etui mit Geodreieck, dahinter verschwommen zwei jugendliche Schüler mit Kappe
Legende: Laut Maag Merki haben die Jugendlichen nach der obligatorischen Schule immer noch Mühe mit Lesen und Rechnen. KEYSTONE / Christian Beutler

Eine bedeutende Ursache dieser Probleme sehen Sie in der Selektion der Schulkinder nach der 6. Klasse. Sie werden dann in unterschiedliche Leistungsniveaus eingeteilt. Warum ist diese Einteilung problematisch?

Weil sie fehlerhaft ist und weil die Idee, dass man mit der Einteilung homogene Klassen bilden kann, nicht funktioniert. Wir haben immer wieder Kinder, die im untersten Niveau sind, obwohl sie leistungsfähiger sind als Kinder im obersten Niveau.

In der Realität wechseln aber nur zirka sechs Prozent der Kinder das Leistungsniveau, und dann meistens gegen unten.

Das hat damit zu tun, dass bei der Benotung von diesen Leistungen durch die Lehrpersonen oftmals auch der familiäre Bildungshintergrund mitgedacht wird. Es wird nicht nur auf die Leistung geschaut oder auf die Motivation, sondern auch darauf, ob das Kind Eltern hat, die es unterstützen. Das lässt sich empirisch belegen. Ausserdem beansprucht die Selektion die Lehrpersonen stark: Das geht auf Kosten der Lernzeit.

Sie sagen, durch diese frühe Selektion schliessen sich Türen für viele Kinder. Aber das Schweizer System ist doch sehr durchlässig, die Kinder können zwischen den Niveaus hin und her wechseln?

Das ist auf dem Papier so, in der Realität wechseln aber nur zirka sechs Prozent der Kinder das Leistungsniveau, und dann meistens nach unten. Die Einteilung ist wie ein Eingleisen: Unser Bildungssystem hat zwar Brücken zwischen den verschiedenen Gleisen, aber diese Brücken sind so aufgebaut, dass sie nur schwer zugänglich sind. Alles, was man nicht auf dem ersten Bildungsweg macht, ist sehr viel aufwändiger. Es braucht Geld und gute Kenntnisse des Bildungssystems.

Kommt jetzt auch etwas an den Schulen in Bewegung?

Aus meiner Sicht ist es zentral, dass die Sensibilisierung in Bezug auf die verschiedenen Problemzonen, die wir angesprochen haben, gestiegen ist. Auf der politischen Ebene mahlen die Mühlen aber langsam. Viele der Punkte waren schon vor 40 Jahren ein Thema, als ich als Primarlehrerin gearbeitet habe. Es geht also nur langsam voran – aber es geht voran!

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Tagesgespräch, 21.03.2024, 13 Uhr;

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