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Renata Sargent über Straftäter und Schicksale
Aus Regionaljournal Bern Freiburg Wallis vom 26.03.2023. Bild: Thomas Pressmann/SRF
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Vollzugsanstalt St. Johannsen Direktorin: «Kann nicht für alle die Verantwortung übernehmen»

Im offenen Massnahmenzentrum St. Johannsen im Berner Seeland leben 80 psychisch belastete oder suchtkranke Straftäter. In der Nacht und über den Mittag sind sie eingesperrt, sonst können sie sich frei bewegen. Das sorgte auch schon für Kritik, unter anderem vor gut zehn Jahren, als immer wieder Straftäter entwichen.

Mit Renata Sargent amtet nun die dritte Frau in einer Berner Justizvollzugsanstalt als Direktorin. Im Interview spricht die Bernerin über Freiheit, Frauenförderung, Straftäter – und Vogelstimmen.

Renata Sargent

Renata Sargent

Neue Direktorin St. Johannsen

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Die 57-jährige Renata Sargent von Arx war früher als Lehrerin tätig. Mit 40 entschied sie sich, in die Justizvollzugsanstalt zu wechseln. Seit zehn Jahren ist sie dort stellvertretende Direktorin und Leiterin Vollzug. Am 1. April übernimmt sie das Amt von ihrem Vorgänger. Renata Sargent lebt mit ihrem Mann im Berner Seeland.

SRF News: Was bedeutet Ihnen Freiheit?

Freiheit ist ein wichtiges Gut. Man muss aber damit umgehen können. Ich finde es richtig, dass man die Freiheit von Menschen, welche das nicht können, zwischenzeitlich einschränkt. Selber fühle ich mich frei – natürlich mit den gewissen Einschränkungen, die wir doch alle aus dem Alltag kennen. Und um das geht es hier: Den Straftätern vermitteln, was Freiheit ist.

Ist das möglich?

Ja, das ist unser Auftrag hier.

In St. Johannsen leben Männer, welche gestohlen haben oder gewalttätig wurden. Wie hat das Sie in den letzten Jahren geprägt?

Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmässig austauschen. Es gibt Menschen hier mit zum Teil happigen Schicksalen und furchtbaren Taten.

Ich lernte, mich aber auch abzugrenzen.

Ich lernte, mich aber auch abzugrenzen. Und ich bin mir bewusst: Die Leute hier sind ein Abbild der Gesellschaft.

Wie kam es, dass Sie von der Schule in eine Justizvollzugsanstalt wechselten?

Ich wurde mit 40 schulmüde. Für mich war damals klar, dass ich auch in Zukunft mit Menschen arbeiten möchte. Und dann habe ich ein Inserat gesehen und mich beworben.

Im Kanton Bern werden nun drei Vollzugsanstalten von Frauen geführt. Zufall – oder eine dringend nötige Entwicklung?

Es wurde absolut Zeit. Es wurde Zeit, dass sich auch der Justizvollzug öffnet.

Und wie haben die eingewiesenen Männer reagiert?

Noch nicht gross. Vielleicht auch nicht, weil ich erst ab April Direktorin bin. Aber zugegeben: Ich bin selber gespannt.

Grosses Tor mit einem Turm
Legende: Der Haupteingang des Massnahmenzentrums St. Johannsen zwischen Erlach und Le Landeron im Berner Seeland. Keystone/Peter Klaunzer

Das offene Massnahmenzentrum St. Johannsen steht immer mal wieder im Fokus der Öffentlichkeit; gerade auch, wenn Straftäter flüchten. Wie gehen Sie damit um?

Wichtig ist, dass wir aufzeigen, für wen wir da sind. Nämlich für die Gesellschaft. Mich stört bei solchen Diskussionen jeweils, dass sie von den Medien ausgeschlachtet werden. Wir gehen wachsam mit den Menschen hier um. Aber alles können wir nicht vermeiden.

Das heisst: Es gibt Grenzen der Verantwortung?

Genau. Ich übernehme hier die Verantwortung, die mir übertragen wurde. Aber ich kann nicht die Verantwortung für andere Menschen übernehmen.

Ich kann versuchen, die Eingewiesenen auf einen guten Weg zu bringen.

Ich kann versuchen, die Eingewiesenen auf einen guten Weg zu bringen. Aber die absolute Verantwortung für jeden Einzelnen kann ich definitiv nicht übernehmen.

Eine spezielle Begabung von Ihnen ist, dass sie Vögel sehr gut erkennen können. Wie kommt das?

Als Kind erhielt ich ein Vogelbuch. Mit diesem Vogelbuch lernte ich schon im Vorschulalter lesen. So wurde ich mit den verschiedenen Vögeln vertraut. Noch heute achte ich mich, welche Tiere um mich herum sind.

Vögel – der Inbegriff der Freiheit, oder?

Ja, absolut. Aber einfach davonfliegen: Das möchte ich nicht. Ich bin jemand, der lieber auf dem Boden bleibt.

Das Gespräch führte Thomas Pressmann.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 26.03.2023, 17:30 Uhr;

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