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Vorschlag von 38 Wochen Debatte um Elternzeit neu lanciert – das müssen Sie wissen

Die eidgenössische Familienkommission will 38 Wochen Elternzeit. Worum geht es in der Debatte? Ein Überblick.

Worum geht es? Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) will der Diskussion um die umfassende Elternzeit auf nationaler Ebene neuen Schwung verleihen. So schlägt die ausserparlamentarische Kommission vor, dass Mütter und Väter nach Geburt ihres Kindes zusammen 38 Wochen Elternzeit beziehen können. Die Aufteilung der Wochen sei entweder paritätisch, also mit je 19 Wochen für beide Elternteile, oder variabel möglich, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Mütter könnten mit dem neuen Modellvorschlag zwischen 16 und 23 Wochen, Väter zwischen 15 und 22 Wochen beziehen.

Kommission für Familienfragen fordert schon länger Elternzeit

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Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen EKFF ist eine ausserparlamentarische Kommission und beratendes Organ des Bundesrates. Sie stellt gemäss eigenen Angaben «spezifisches Fachwissen im Bereich Familienpolitik» sicher, worauf die Bundesbehörde und weitere Interessierte bei Bedarf zurückgreifen können. Allgemein setze sie sich für gute Rahmen- und Lebensbedingungen «für alle Familienformen» ein.

Neben familienergänzender Kinderbetreuung, der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, die Familiensituation nach Trennung oder Scheidung ist aus die Elternzeit ein zentrales Thema der EKFF. Seit 2010 fordert sie die Einführung einer Elternzeit in der Schweiz. Seither beobachtet man auch die Entwicklung in anderen Ländern.

Kommissionspräsidentin Nadine Hoch sagt: «Erfahrungen der Länder, die bereits länger eine Elternzeit haben, zeigen, dass Väter die Wochen beziehen, wenn sie reserviert sind, jedoch nicht, wenn sie diese den Müttern übertragen können.» Das bedeutet: Die Männer beziehen tendenziell weniger Elternzeit, wenn sie nicht müssen. Das wiederum bedeutet, dass Frauen weniger am Arbeitsmarkt teilnehmen. Deshalb habe man den für Männer reservierten Anteil Wochen erhöht, sagt Hoch.

Weshalb ist dies wichtig? Die Schweizer Stimmbevölkerung hat im September 2020 den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub angenommen. Schon vor der Abstimmung war aber eigentlich klar, dass dies für die linken Parteien langfristig nur ein Etappenziel sein dürfte; SP, Grüne und Grünliberale fordern schon länger eine Elternzeit – und somit mehr Flexibilität für Mütter und Väter.

Wie ist die Situation in den Kantonen? Diverse Vorlagen sind pendent, welche eine Elternzeit zum Ziel haben, etwa in Genf oder Luzern. Auch im Kanton Bern ist bereits eine Initiative zustande gekommen.

Die Idee deutlich verworfen hat das Stimmvolk des Kantons Zürich im vergangenen Frühling. Das Resultat wurde auch als Zeichen gewertet, dass die Elternzeit auf nationaler Ebene wohl noch wenig Chancen hat. Der Politologe Michael Hermann sagte damals: «Gerade, weil der Zürcher Entscheid so klar war, hat er eine Signalwirkung für die Bundespolitik.»

Wie steht die Schweiz im europäischen Vergleich da? In der Schweiz gilt: Wer ein Kind gebärt, muss während 14 Wochen nicht arbeiten; es ist der sogenannte «Mutterschaftsurlaub». Die Väter haben derweil Anspruch auf einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Beide Elternteile erhalten währenddessen 80 Prozent des Lohns.

Ein Vater bereitet Essen für sein Kind vor.
Legende: In der Schweiz gilt seit 2021 ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub. KEYSTONE/Christian Beutler

Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt: Die Schweizer Regelungen sind strikt. In Finnland beispielsweise gibt es für jeden Elternteil 6.5 Monate Elternzeit, auch Norwegen, Österreich, Frankreich, Italien oder Deutschland geben den Eltern mehr Freiheiten.

Was sind die Argumente gegen eine Elternzeit? Meistens wird der Kostenfaktor ins Feld geführt. Entsprechende Reaktionen wurden auch bereits laut. So sagte Lukas Müller-Brunner, Leiter Sozialpolitik des Schweizerischen Arbeitgeberverbands: «Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist keine Frage der ersten 38 Wochen nach der Geburt. Es geht um langfristige Massnahmen. Wenn wir das in der Schweiz stärken wollen, dann bieten wir Hand. Dieses Modell hier ist schlichtweg zu teuer.» Die EKFF rechnet mit Zusatzkosten von 1.4 Milliarden Franken für die vorgeschlagene Elternzeit.

Was spricht für eine Elternzeit? Lena Hipp stellt die Kosten in den Kontext. Die Professorin für Sozialstrukturanalyse der Universität Potsdam sagt: «Wir sehen in den meisten Ländern mit Elternzeit, dass die Erwerbsquote von Müttern in den letzten Jahren ziemlich stark angestiegen ist.» Damit alleine sei es aber nicht getan, ebenso wichtig sei, inwiefern nach dieser Zeit die Kinderbetreuung gewährleistet sei. Oder einfach heruntergebrochen: Je familienfreundlicher die Strukturen in einem Land sind, desto besser die Chancen, dass die Mütter erwerbstätig sind und als Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dann würden auch die Steuereinnahmen steigen und die Volkswirtschaft auf lange Sicht wachsen, so Hipp.

Tagesschau, 14.02.2023, 19:30 Uhr ; 

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