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Wachsende Tourismusindustrie Berner Tourismusforscherin: «Reisen ist kein Menschenrecht»

Der Tourismus boomt: Das Bedürfnis zu reisen, ist in unserer Gesellschaft seit der Coronapandemie noch grösser geworden. Doch der Tourismus belastet die Umwelt.

Auch in der Schweiz stehen die Tourismusdestinationen vor grossen Herausforderungen. Sie müssen den gestiegenen Ansprüchen und dem grossen Andrang gerecht werden. Die Tourismusforscherin Monika Bandi beschäftigt sich mit der Zukunft des Schweizer Tourismus. Sie ist überzeugt: Reisen muss nachhaltiger werden.

Monika Bandi

Tourismusforscherin Universität Bern

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Monika Bandi Tanner leitet seit 2012 die Forschungsstelle Tourismus im Zentrum für Regionalentwicklung an der Universität Bern. Zuvor studierte sie an der Universität Bern und im norwegischen Bergen Volkswirtschaft, Psychologie und Betriebswirtschaft. Die 41-Jährige lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Kallnach im Berner Seeland. 

SRF News: Sie sagen, Reisen sei kein Menschenrecht. Wie kommen Sie darauf?

Monika Bandi: In der Menschenrechtskonvention steht, dass sich Menschen frei im Raum bewegen sollen und ein Recht auf Erholung haben. Es steht aber nirgends, dass Reisen und Erholung kombiniert werden müssen. Das ist eine Erfindung der Tourismusindustrie. Unter sozialen Gesichtspunkten wird gesagt, dass jeder Feien machen können soll. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sieht das anders aus. Die Ressourcen reichen einfach nicht aus, damit jeder für wenig Geld um die Welt reisen kann.

Das klingt hart.

Es ist nicht gut für die nächste Generation, wenn wir jetzt alle Ressourcen verbrauchen und den Planeten zerstören. In den 90er-Jahren hiess es, jeder müsse sich das Reisen leisten können. Aber das muss sich ändern.

Die Preise müssen so gestaltet sein, dass Reisen etwas Besonderes ist.

Die Preise müssen so gestaltet werden, dass Reisen etwas Besonderes ist – und den wahren Preis widerspiegeln. Wir müssen dafür sorgen, dass weniger gut gestellte Menschen einen finanziellen Ausgleich erhalten, damit sie sich auch mal eine teure Reise leisten können. Es kann aber nicht sein, dass Fernreisen billig sind und sich das jeder regelmässig leisten kann. Das führt zum totalen Klimakollaps.

Sie reisen selbst viel – privat, aber auch als Tourismusforscherin. Wie gehen Sie persönlich mit dem Thema Nachhaltigkeit um?

Ich frage mich, ob eine Reise jeweils wirklich nötig ist. Ich bin der Meinung, dass wir Wissenschaftlerinnen das vor jeder Reise auch überlegen müssen. Wir können nicht wahllos um die Welt fliegen. Für mich heisst das, dass ich maximal zwei Flüge im Jahr mache, um zum Beispiel zu Kongressen zu kommen. Oft gibt es digitale Lösungen.

Die Mobilität ist bei Reisen der entscheidende Faktor, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

Mit der Familie machen wir alle fünf Jahre eine grössere Reise, ansonsten bleiben wir in der Schweiz oder im nahen Ausland. Mobilität ist beim Reisen der entscheidende Faktor, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

Sie sagen, was im Tourismus gut läuft und was nicht. Es hat den Anschein, als seien Sie die Richterin über die Tourismusbranche. Und dass Ihnen dabei wohl ist.

Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber ich kann mit dieser Rolle umgehen und scheue mich nicht, der Schweizer Tourismuswirtschaft auch kritische Fragen zu stellen. Ich sage jedoch den Destinationen nicht, wie sie es machen sollen. Das müssen die Regionen letztlich selbst entscheiden. Ich versuche nur, Argumente zu liefern. Ich kann mir nicht anmassen, vom Büro der Universität Bern aus dem Berner Oberland zu sagen, was es zu tun und zu lassen hat.

Wo zieht es Sie persönlich in den nächsten Ferien hin?

Wahrscheinlich im nächsten Winter in den hohen Norden. Nach ein paar Jahren haben wir mal wieder eine längere Reise zugute.

Das Gespräch führte Thomas Pressmann.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 14.1.2024, 17:30 Uhr ; 

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