Eine grossangelegte Online-Kampagne der CVP sorgt für breites Unverständnis und Kritik bei den Politik-Kollegen. Wer nämlich einen Kandidaten für die nationalen Wahlen googelt und auf die von Google zuoberst vorgeschlagene Anzeige klickt, landet nicht etwa bei der Seite des gesuchten Kandidaten, sondern auf einer Werbeseite der CVP. Und: Auf dieser Seite bekommen die Kandidaten ihr Fett weg.
Bezahlte Google-Werbung im Namen anderer Parteien und Personen – das ist ein Novum, wie Politbeobachter Mark Balsiger sagt.
SRF: Was bedeutet die Kampagne der CVP aus politischer Sicht?
Mark Balsiger: Dass eine Partei in der heissen Phase des Wahlkampfes ganz bewusst Irreführung betreibt, hat es in diesem grossen Stil noch nie gegeben. Es entspricht nicht der politischen Kultur. Man spürt aufgrund der Reaktionen, dass viel Nervosität im Wahlkampf ist. Viele Akteure haben etwas zu verlieren. Es ist allerdings nicht das harte Diffamieren des politischen Gegners wie bei einer klassischen Negativ-Kampagne.
Die Kampagne wurde innert kürzester Zeit zum Top-Trend in der Schweizer Twitterszene. Das kann der CVP ja auch helfen?
Wenn der Absender von einem politischen Pol kommt, zum Beispiel von den Jungsozialisten oder der jungen SVP, die auch schon systematisch Bundesräte zum Rücktritt aufgefordert hatte, dann würde es zu einer Profilierung der Jungpartei führen. Wenn nun aber eine staatstragende Partei wie die CVP, die seit jeher antritt und sagt, wir halten das Land zusammen und sind das Scharnier in der Mitte, dann ist eine solche Kampagne unschweizerisch.
Kann dies für die CVP zum Bumerang werden?
Ja, denn schon diverse CVP-Mitglieder haben sich auf Twitter von der Kampagne distanziert. Gerade in der Endphase muss eine Partei schauen, dass ihre Kommunikation kohärent ist – und das ist sie hier nicht. Es kann also sein, dass gewisse Parteimitglieder demobilisiert werden. Dann gefährdet man am Schluss gar die 10-Prozent-Grenze.
Laut CVP dauert die Kampagne mehrere Tage. Ausserdem hat man versucht, solche Google-Anzeigen für praktisch jeden Kandidaten für die nationalen Wahlen 2019 zu machen. Das sind über 3000 Personen. Die CVP muss für jeden Klick bezahlen. Kommt das die Partei teuer zu stehen?
Bei den Kandidaten, die man nicht kennt, ist der Klick weniger teuer als bei den bekannten Namen. Zudem kommt es auch stark auf die Zeitdauer der Kampagne an. Das finanziell zu beziffern ist schwierig.
Hier wird nicht dramatisiert, sondern es werden einfach politische Positionen der Kandidaten aufgezählt.
« Negative Campaigning» heisst also, mit einer Negativ-Kampagne den politischen Gegner zu schwächen. Das kennt man sonst eher aus den USA. Kommt das nun auch in der Schweiz?
Nein. Negative Campaigning lohnt sich dann, wenn es nur wenige Kandidaten gibt. Das wird in der Schweiz nie der Fall sein. Ausserdem funktioniert bei uns die politische Kultur anders. In diesem Fall geht es aber auch nicht um Negative Campaigning, denn da müsste man jede Kandidatur bis ins Innerste durchleuchten. Hier wird nicht dramatisiert, sondern es werden einfach politische Positionen der Kandidaten aufgezählt.
Das Interview führte Stephan Weber.