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Sitzgewinne der Grünen «Es ist Zeit für eine neue Zauberformel»

Zusammen mit der anderen grünen Partei, den Grünliberalen, kommt das Grüne Lager nun auf 45 Sitze. Wie sich dieser Erfolg künftig in politischen Entscheiden niederschlagen soll, sagt der Fraktionschef der Grünen, Balthasar Glättli.

Balthasar Glättli

Franktionschef der Grünen im Nationalrat

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Von 1998 bis 2011 war der Grüne Glättli Gemeinderat der Stadt Zürich. Ab 2011 war er im Nationalrat, er wurde 2019 wiedergewählt. Glättli ist Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbands der Deutschschweiz.

SRF News: Sie gewinnen, aber die Mehrheit bleibt bürgerlich. Wie wollen Sie so in Sachen Klimapolitik etwas erreichen?

Balthasar Glättli: Wir können mehr erreichen, wenn es uns gelingt, die bürgerliche Mitte und im Idealfall auch die FDP davon zu überzeugen, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen, es gebe etwas zu besprechen. Es ist ein historisches Wahlresultat. Seitdem das Proporzsystem für die Wahl des Nationalrats eingeführt wurde, hat nie eine einzelne Partei so viele Sitze in absoluten Zahlen wie die Grünen gestern dazugewonnen.

Wir haben die Verantwortung, die Mehrheiten zu suchen.

Wenn man davon ausgeht, dass unsere Fraktion noch um ein bis zwei Personen wachsen wird, dann werden wir die drittgrösste Fraktion sein und die FDP überholen. Wir haben die Verantwortung, die Mehrheiten zu suchen. Umgekehrt stehen sowohl CVP wie FDP in der Verantwortung, den Ruf der Wählerinnen und Wähler ernst zu nehmen. Sie haben jeweils gesagt, sie wollten Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sein, wenn es um den Klimaschutz gehe.

Wenn Sie Klimaanliegen durchsetzen wollen, müssen Sie die Mehrheit überzeugen. Wie stellen Sie das an?

Wir versuchen, einen Pakt zu schliessen. Wir wollen mit Parteien unterschiedlichster Ausrichtung zusammensitzen, auch mit der Wissenschaft. Vielleicht braucht es Diskussionen hinter geschlossenen Türen, damit man sich ohne den Druck der Öffentlichkeit vorarbeiten kann. Diese Schweiz schafft es, in kürzester Zeit zum Beispiel eine Too-Big-To-Fail-Grossbank zu retten oder ein Rettungspaket für eine gegroundete Fluggesellschaft zustande zu bringen. Dann schaffen wir es auch, unseren Beitrag für das existenzielle Problem nicht nur der Schweiz, sondern der Welt, so zu definieren, dass er ambitiös genug ist und wir die Pariser Klimaziele erreichen können.

Ihre Parteipräsidentin Regula Rytz hat im Grundsatz erklärt, die Grünen hätten nun Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat. Wann wollen Sie den und wem wollen Sie ihn wegnehmen?

Wir glauben nicht an ein System, das auf der Grundlage der nun im Bundesrat vertretenen Parteien basiert. Man kann die Wahlen auch als Misstrauensvotum gegen fast alle Bundesratsparteien lesen.

Wenn wir frei entscheiden könnten, würden wir den Sitz morgen nehmen, aber auch hier sind es die anderen Parteien, die uns den Zutritt zur inneren Kammer der Macht geben müssen.

Wir haben im Frühling schon gesagt, dass es Zeit für eine neue Zauberformel sei. Die zwei stärksten Parteien erhalten je zwei Sitze und die drei nächstgrösseren drei Sitze im Bundesrat. Wenn wir frei entscheiden könnten, würden wir den Sitz schon morgen nehmen, aber auch hier sind es die anderen Parteien, die uns den Zutritt zur inneren Kammer der Macht geben müssen. Wenn diese das Wahlresultat ernst nehmen, müssen sie bereit sein, nach Lösungen zu suchen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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