Zum Inhalt springen

Lobbying in der Schweiz Einen Badge fürs Bundeshaus, bitte

Wer ins Parlament gewählt wird, darf als Gotte oder Götti zwei Badges vergeben, die zum Zutritt ins Bundeshaus berechtigen. Das System hat seine Schwächen.

Freien Zugang ins politische Machzentrum der Schweiz? Kein Problem, wenn man einen Badge besitzt. Zwei Badges können Nationalräte und Ständerätinnen frei vergeben. Zutrittsberechtigte dürfen ins Bundeshaus, in die Wandelhalle – und sind in einem öffentlichen Register eingetragen.

Wer hat einen Bundeshaus-Badge?

Ein Blick auf die Liste zeigt, welchen Menschen, Verbänden und Organisationen Politikerinnen und Politiker wohl besonders nahe stehen: Das können etwa persönliche Mitarbeitende sein oder Familienmitglieder.

Bastien Girod (Grüne), Tamara Funiciello (SP). Jacqueline Badran (SP), Alois Gmür (Die Mitte), Walter Wobmann (SVP)
Legende: Haben ihre Badges vergeben: Von oben links nach unten rechts: Bastien Girod (Grüne), Tamara Funiciello (SP). Jacqueline Badran (SP), Alois Gmür (Die Mitte), Walter Wobmann (SVP) Keystone

So gewährt beispielsweise der Berner SVP-Nationalrat Andreas Aebi seiner Frau Thea Aebi-Keller freien Zutritt ins Bundeshaus. Doch im Register stehen auch zahlreiche Namen von Interessensvertreterinnen und -vertretern.

SP-Nationalrätin Jacqueline Badran vergibt ihre zwei Badges an den Vorstand der Wohnbaugenossenschaften Schweiz und an den Vize-Präsidenten der Zürcher Kantonalbank. Auch Mitglieder der Bank Julius Bär, des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken sowie der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers besitzen derzeit Bundeshaus-Badges.

Vertiefte Recherche zu Lobbying in der Schweiz

Box aufklappen Box zuklappen
Bundeshaus Front mit Journalistin Isabelle Maissen und Bundeshausredaktor Curdin Vincenz
Legende: SRF

Der SRF-Podcast «Lobbyland» nimmt euch mit hinter die Kulissen von Bundesbern. Wir zeigen, wie Lobbying in der Schweiz funktioniert und wie viel Einfluss Verbände und Organisationen entwickeln können. Den Podcast gibt es auf srf.ch/audio im Kanal «News Plus Hintergründe» und in gängigen Podcastapps.

Weitere Beispiele: Bastien Girod von den Grünen überlässt seine Badges der Abfallbranche und der Umweltorganisation WWF. Mitte-Nationalrat und Braumeister Alois Gmür lässt den Schweizer Brauerei-Verband und GastroSuisse rein. Auf der Gästeliste von SVP-Verkehrspolitiker und Töfffahrer Walter Wobmann stehen «Auto-schweiz» und «Strasseschweiz». Bei Feministin und SP-Nationalrätin Tamara Funiciello sind es die Lesbenorganisation Schweiz und die Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Häufig vertreten auf der Badgeliste sind etwa auch Consultingfirmen und deren Mitarbeitende.

Ein System mit Schwächen

Das System ist etabliert, das Register seit 2012 öffentlich einsehbar. Doch es offenbart auch Schwächen. So stiess beispielsweise die Organisation Lobbywatch schon auf fehlerhafte Namen und veraltete Einträge. Es kam sogar vor, dass ein Lobbyist gleich zwei Zutrittsbadges von verschiedenen Politikern erhielt.

In der Summe führt das Badge-System zu einer ziemlich willkürlichen Interessensvertretung.
Autor: Curdin Vincenz SRF Bundeshausredaktor TV

«In der Summe führt das Badge-System zu einer ziemlich willkürlichen Interessensvertretung im Bundeshaus», hält SRF-Bundeshausredaktor Curdin Vincenz im SRF-Podcast «Lobbyland» fest. Das Götti-System gerät immer wieder mal in Kritik. «Viel besser wäre ein Akkreditierungssystem nach objektiven Kriterien, das einen chancengleichen Zugang ins Bundeshaus gewährleisten würde,» findet Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency Schweiz.

Besucherbadge fürs Bundeshaus Nahaufnahme
Legende: Kritik am Badge-System Martin Hilti von Transparency International Schweiz schlägt anstelle des etablierten «Götti-Systems» ein Akkreditierungsverfahren vor. Keystone, Peter Klaunzer

Idee: Lobby-Fussabdruck

Auch Martin Schläpfer, der jahrelang für die Migros im Bundeshaus lobbyierte, spricht sich für ein Akkreditierungssystem aus, wie es auch für Journalistinnen und Journalisten gilt. «Dabei müssten sich alle an die gleichen Standards des Hauses halten», so Schläpfer.

Martin Hilti schlägt als Alternative zum Badgesystem einen «Lobby-Fussabdruck» vor: «Die Öffentlichkeit würde so erfahren, wer wann bei wem und wie Einfluss nehmen wollte – zumindest bei wesentlichen Einflussnahmen. Man müsste diese dokumentieren und veröffentlichen.»

Einen «Lobby-Fussabdruck» plant bereits die deutsche Regierung, allerdings ist er noch nicht umgesetzt.

Alles zu den Wahlen 2023

Box aufklappen Box zuklappen
Legende:

Aktuelle Informationen und Hintergründe zu den Nationalrats- und Ständeratswahlen am 22. Oktober 2023 finden Sie unter Schweizer Wahlen 2023 .

In der SRF News App können Sie zudem unseren Wahlen-Push abonnieren. Die SRF News App gibt es im Apple App Store (iOS) und im Google Play Store (Android) .

Radio SRF 4 News, 23.8.2023, 17:15 Uhr

Meistgelesene Artikel