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Umfrage zum Befinden Das Vertrauen in die Politik nimmt ab

Immer mehr Menschen fühlen sich von der Politik nicht mehr richtig vertreten. Ein Weckruf für Politikerinnen und Politiker?

Über die Hälfte der Menschen – ganze 59 Prozent – ist der Meinung, dass sich Politikerinnen und Politiker von den Menschen, die sie eigentlich vertreten sollten, entfremdet haben. Zu diesem Schluss kommt die grosse Studie zum Befinden der Schweizerinnen und Schweizer, welche GFS Bern für die SRG durchgeführt hat.

Dieses Misstrauen sei zwar nicht alarmierend, aber auch nicht unproblematisch, erklärt Politologe Urs Bieri, der für GFS die Umfrage durchgeführt hat.

«Wir leben im Zeitalter des Populismus, das führt zu einer Spaltung der politischen Meinung und zu einer Entfremdung des politischen Gegenübers», analysiert Bieri. Das führe schliesslich zu einem gewissen Misstrauen gegenüber der Politik.

Politikerinnen und Politiker haben zwiespältigen Ruf

Dieses Misstrauen ist auch spürbar auf Berns Strassen, wenn man die Leute fragt, ob sie den Politikerinnen und Politikern vertrauen. «Ich vertraue den Politikern wenig, sie schauen nur auf ihre Karriere, nicht auf die sozialen Probleme, die wirklich da sind», sagt etwa ein älterer Herr.

Eine junge Frau sagt: «Ich hatte vor zwei, drei Jahren mehr Vertrauen und war damals auch politisch aktiv, bin es mittlerweile aber nicht mehr.» Ihr sei die Politik nicht transparent genug und die Politiker würden zu langsam auf Probleme reagieren, erklärt sie ihr schwindendes Vertrauen.

Leute bewegen sich beim Stimmlokal im Generationenhaus bei Bahnhof Bern
Legende: Leute bewegen sich beim Stimmlokal im Generationenhaus bei Bahnhof Bern. (18.06.23) KEYSTONE/Alessandro della Valle

Es gibt aber auch Passanten, die der Politik ganz klar ihr Vertrauen aussprechen. «Ich vertraue grundsätzlich denjenigen, die ich gut finde», sagt etwa ein junger Mann. Natürlich nur mit Vorbehalt, sagt er weiter, denn manchmal würden Politiker gewisse Dinge nur aus Eigeninteresse sagen. «In der Regel sind das Leute mit einer guten Moral», findet ein Pensionär.

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Das Misstrauen, das die Studie festgestellt hat, deckt sich mit den Erfahrungen von Politikerinnen wie Brigitte Häberli-Koller. Die aktuelle Ständeratspräsidentin stellt fest, dass etwa die Hälfte der Menschen sich wenig bis gar nicht für Politik interessiere. Das sei schade, sagt sie.

Die Resultate seien hoffentlich ein «wirksamer Weckruf für die Politik, dass wir den Leuten zeigen, wie wichtig die direkte Teilnahme ist, dass sie Ja und Nein sagen können und Persönlichkeiten wählen», so Häberli-Koller. «Ich hoffe, dass wir mehr Menschen dazu bewegen können, teilzunehmen», sagt sie weiter. Das müsse einfach gelingen.

Grosses Vertrauen in direkte Demokratie

Die Menschen entfremden sich von der Politik, gleichzeitig trauen sich 91 Prozent der Befragten zu, aktiv am politischen Leben teilzunehmen, und empfinden die direkte Demokratie als Teil ihrer Identität.

«In der Schweiz gibt es ein ideales Korrektiv, wir können bei einem Urnengang einen politischen Entscheid korrigieren, das wird auch sehr geschätzt», erklärt Urs Bieri vom GFS. Das sei eine der grossen Klammern der Schweiz und führe dazu, dass trotz dieses Grundmisstrauens die Zufriedenheit mit der Politik in der Schweiz überdurchschnittlich hoch sei.

Trotzdem: Dieses Misstrauen dürfte der Politik zu denken geben, gerade in einem Wahljahr.

Eckwerte der Umfrage

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Die Resultate der Umfrage «Wie geht’s, Schweiz?» basieren auf 57'778 Interviews, die vom Forschungsinstitut GFS Bern im April und Mai 2023 im Auftrag der SRG durchgeführt wurden. 2983 Personen wurden aus einem Online-Panel von GFS Bern ausgewählt, und zwar so, dass ein repräsentatives Abbild der Schweizer Bevölkerung entstand (16 Jahre und älter). Die Stichprobe wurde entlang der Sprachregion viersprachig geschichtet und entlang von Alter und Geschlecht quotiert.

54'795 weitere Personen füllten den Fragebogen online aus. Sie wurden über die Kanäle der SRG dazu aufgerufen, entschieden aber selbst, ob sie mitmachen wollten oder nicht. Diese Befragungsmethode ist nicht repräsentativ. Die Datenqualität entsteht hier mittels spezifischer Verfahren der Datengewichtung und Datenvalidierung.

Der Fragebogen umfasste über 300 Fragen . Damit ein Interview nicht länger als ca. 20 Minuten dauerte, stellte GFS Bern nicht allen Befragten die gleichen Fragen. Der Stichprobenfehler variiert darum je nach Frage und Anzahl Antworten. Bei 57’778 Interviewten beträgt er 0.4 Prozent, bei 6000 1.27 Prozent, bei 3000 1.79 Prozent.

Kompletter Schlussbericht «Wie geht's Schweiz?» als PDF

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Tagesschau, 23.8.2023, 12:45 Uhr

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