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Wähleranteile falsch berechnet BFS-Direktor Ulrich: «Wichtig ist, dass man hinsteht»

Das BFS hat das Wahlresultat falsch berechnet. Der oberste Statistiker spricht von einem Fehler an der «Schnittstelle von Mensch und Maschine».

Am Mittwoch wurde das Drehbuch für den Wahlsonntag leicht umgeschrieben. Denn das Bundesamt für Statistik (BFS) gab bekannt, dass es die Parteienstärken falsch berechnet hat.

Die SVP bleibt zwar klare Wahlsiegerin, holt aber «nur» 27.9 Prozent Stimmenanteile, die Mitte hat die FDP doch nicht überholt und die Grünen kratzen plötzlich an der 10-Prozent-Marke. Auf die Sitzverteilung im Nationalrat hat dies keine Auswirkungen.

Allerdings: Ganz so «historisch» ist die Wahl mit den neuen Ergebnissen nicht mehr. Denn die Mitte hat die FDP nicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte überholt. Und damit lässt sich der Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz – auf Kosten der FDP – weniger gut verargumentieren. Auch wenn die Mitte weiterhin einen Sitz mehr im Nationalrat hat als die FDP.

Spott und Irritation

Die Mitte reagiert mit freundlichem Spott auf den Fauxpas der Bundesstatistiker:

Irritiert zeigt sich die FDP, nachdem tagelang vom Niedergang der Partei die Rede war. Der Vize-Präsident der FDP, Andrea Caroni, ärgert sich über den Fehler der Statistikerinnen und Statistiker. «Wenn die sich nicht so kolossal verhauen hätten, wäre der FDP viel Häme erspart geblieben.»

Das ist der Grund für den Rechenfehler

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Die falschen Zahlen entstanden nach Angaben des Bundesamtes für Statistik (BFS) wegen einer fehlerhaften Programmierung im Datenimportprogramm für die beiden Appenzell und Glarus. Alle drei verfügen über je einen Sitz im Nationalrat und übermitteln ihre Daten in einem anderen Format als die restlichen Kantone. So wurden die Stimmen der in den drei Kantonen angetretenen drei Parteien drei- bis fünffach gezählt.

BFS-Direktor Georges-Simon Ulrich erklärt gegenüber SRF News, dass Departementsvorsteher Alain Berset umgehend informiert worden sei, nachdem die fehlerhafte Berechnung entdeckt wurde. «Er hat nun eine Überprüfung der Prozesse angeordnet.»

Der Fehler sei an der «Schnittstelle von Mensch und Maschine» passiert, sagt Ulrich: «Am Ende des Tages hat ein Mensch das Programm geschrieben. Das sind Dinge, die passieren können – aber nicht sollten.» Als Konsequenz aus dem Rechenfehler wurde nun eine Untersuchung eingeleitet.

Irreparabler Reputationsschaden?

Die Ergebnisse der Wahlen und ihre politischen Folgen wurden bereits mehrere Tage diskutiert, bevor das BFS seinen Rechenfehler publik machte. Etwa betreffend die künftige Sitzverteilung im Bundesrat. Das BFS steht also in einer grossen Verantwortung, die richtigen Resultate zu liefern – denn auch kleinste Abweichungen können sich realpolitisch auswirken. 

Das BFS produziert seit 160 Jahren viele Statistiken und wir geniessen zurecht ein hohes Vertrauen.
Autor: Georges-Simon Ulrich Direktor des Bundesamts für Statistik

Hat das BFS nun einen Vertrauensverlust und Reputationsschaden erlitten? Für Ulrich spielt das Vertrauen in das Bundesamt für Statistik eine zentrale Rolle. «Aber man muss auch darauf hinweisen, dass das BFS seit 160 Jahren viele Statistiken produziert und wir zurecht ein hohes Vertrauen geniessen.» Trotzdem könnten Fehler passieren, schliesst der BFS-Direktor. «Wichtig ist, dass man dann hin steht und das kommuniziert, um einem potenziellen Vertrauensverlust entgegenwirken zu können.»

Fehler «nur eine analytische Grösse»

Für den Politologen Peter Moser ist der Fehler des BFS zwar ärgerlich und darf nicht passieren. Aber: «Man sollte das Ganze aber auch nicht überbewerten.» Denn falsch berechnete Wähleranteile seien auf gesamtschweizerischer Ebene nur eine analytische Grösse und hätten auf die Sitzverteilung im Nationalrat keinen Einfluss gehabt.

An einen nachhaltigen Schaden für die Glaubwürdigkeit des BFS glaubt Moser eher nicht. «Ich habe den Eindruck, dass das relativ bald wieder vergessen ist. Das Wahlresultat – also die Sitzverteilung – wurde schliesslich nicht beeinflusst.»

SRF 4 News, 26.10.2023, 6:39 Uhr ; 

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