Der Ständerat gilt als die mächtigere Kammer des Parlaments. Umso begehrter sind die Sitze dort. Während das Wahlbarometer für die Wählerstärken im Nationalrat keine grösseren Verwerfungen vorsieht, könnten sich die Gewichte im Ständerat durchaus verschieben.
Denn hier gelten andere «Regeln». Parteizugehörigkeiten sind durchaus wichtig, den Ausschlag gibt aber oft anderes: Ist ein Kandidat bereits im Amt oder ist er ein Herausforderer? Wie bekannt ist eine Kandidatin, regional und national? Hat ein Kandidat bereits ein kantonales Exekutivamt vorzuweisen? Wie gross ist das «Proporz-Potenzial», also die Wählbarkeit über die eigene Partei hinaus?
Die SRF-Korrespondentinnen und -Korrespondenten beurteilen die Ausgangslage in allen 26 Kantonen und ordnen die Wahlchancen der wichtigsten Kandidierenden ein (siehe CH-Karte unten). Daraus ergibt sich die Einschätzung, wie sich der Ständerat bei den Wahlen vom 22. Oktober verändern wird:
Einschätzung: Sitzverschiebungen im Ständerat
Die besten Chancen hat die FDP , die in mehreren Kantonen zulegen könnte (SO, TI, SZ, JU). Selbst wenn sie andernorts (ZH, FR) einen bis zwei Sitze verlieren würde, darf sie per Saldo auf eine vergrösserte Ständerats-Vertretung hoffen. Wenn es gut läuft für die Freisinnigen, würden sie mit bis zu 15 Sitzen die Mitte als stärkste Partei in der Kleinen Kammer ablösen.
Die Mitte kann sich nämlich ihrer 14 Sitze nicht sicher sein. Ein Verlust ist in Schwyz und im Jura möglich, auch wenn in beiden Kantonen die Mitte-Vertreter nochmals antreten. Wenn die Mitte von der FDP überholt wird, dann wäre das bitter für die ehemalige CVP; sie war über 20 Jahre lang die stärkste Kraft im Ständerat.
Dass im Ständerat andere Gesetze herrschen als im Nationalrat, zeigt sich immer wieder bei der SVP . Die mit Abstand wählerstärkste Partei im Nationalrat hat im Ständerat gerade halb so viele Sitze wie die Mitte. Jetzt könnte sie im Kanton Schwyz nochmals einen verlieren; ob sie das mit einem neuen Sitz in Zürich kompensieren kann, ist unsicher.
Fast sicher Federn lassen muss die SP , die bereits während der Legislatur zwei Sitzverluste erlitt, weil sie die Sitze der zurückgetretenen Christian Levrat (FR) und Paul Rechsteiner (SG) nicht halten konnte. Nun treten in Bern, Solothurn und im Tessin weitere politische Schwergewichte nicht mehr an und auch der Sitz in Genf könnte gefährdet sein. Die Bilanz wird sich auch mit einem wahrscheinlichen Sitzgewinn in der Waadt nicht gross aufhübschen lassen. Nach dem Allzeithoch von 12 Sitzen bei den Wahlen 2015 würde sie jetzt im schlechtesten Fall bei gerade mal 5 Sitzen landen.
Die Grünen könnten einen fast sicheren Verlust in der Waadt mit einem Sitzgewinn in Bern oder in Freiburg wettmachen. Auch der Sitz in Glarus ist gefährdet. Ein Verlust in der Gesamtbilanz wäre allerdings halb so schlimm: Die Öko-Partei hatte 2019 ihre Sitzzahl von 1 auf 5 vervielfacht.
Für die GLP dürfte auch dieses Jahr ein Ständeratssitz ausser Reichweite liegen, auch wenn sie in Bern mit Parteipräsident Jürg Grossen und in Zürich mit Fraktionschefin Tiana Moser antritt.
Alles in allem könnte es damit, wie im Nationalrat, einen leichten Rechtsrutsch geben. Allerdings wären die Parteien, die im Nationalrat zulegen könnten, im Ständerat eher auf der Verliererseite – und umgekehrt.