Die grossen Städte sind links, in der Agglomeration und auf dem Land dominieren die Bürgerlichen. So lautete lange Zeit die Faustregel im Kanton Zürich. Zumindest in der Agglo beginnt die bürgerliche Dominanz aber zu bröckeln. Die kleineren Zürcher Städte sind in den letzten Jahren urbaner geworden – und in der Folge auch linker.
Barbara Angelsberger leitet den Wahlkampf der FDP im Bezirk Dietikon im Limmattal. Dieses galt lange als Beispiel für die graue Agglomeration im Kanton. Das habe sich mittlerweile geändert, sagt Angelsberger. «Es sind viele neue Leute hergezogen – wahrscheinlich auch solche, denen die Stadt zu teuer war, die aber doch eine städtische Einstellung haben.»
Politischer Wandel
Wenn Angelsberger von «städtischer Einstellung» spricht, meint sie «tendenziell links». Das zeigte sich auch bei den Zürcher Gemeindewahlen vor einem Jahr. Im Bezirkshauptort Dietikon zum Beispiel zogen erstmals die Grünen in die Stadtregierung ein. Dafür verlor die SVP gleich zwei ihrer drei Exekutiv-Sitze.
Und in der Nachbargemeinde Schlieren ist erstmals seit 24 Jahren die SP wieder die stärkste Kraft – ebenfalls auf Kosten der Bürgerlichen. Ähnliches zeigt sich auch im Zürcher Oberland: Dort wird die Stadt Uster seit letztem Jahr zum ersten Mal überhaupt von einer links-grünen Mehrheit regiert.
Dies sei eine direkte Folge der Urbanisierung in den Agglomerations-Städten, sagt Stefan Feldmann von der SP Uster. Diese Entwicklung hätten die Bürgerlichen verpasst: «Sie haben sich auf Parkplätze konzentriert, auf die klassischen Themen, die sie bearbeiten. Das wird halt dem Anspruch der Leute, die aus der Stadt Zürich in die Agglomeration ziehen, nicht gerecht.»
«FDP Urban»
Haben die Bürgerlichen die politische Veränderung in der Agglomeration verschlafen? Nein, sagt der Nationalrat und Präsident der SVP Stadt Zürich, Mauro Tuena. Linke Anliegen hätten es in den Städten derzeit vor allem leicht, weil es der Zürcher Wirtschaft sehr gut gehe. «Die Steuereinnahmen sprudeln. Die Städte können den Leuten viel geben: gratis Kinderkrippen, Wohnungen. Da sagen sich die Leute natürlich, wunderbar!»
Doch auch der SVP ist bewusst, dass sie bei den Zürcher Wahlen in gut zwei Wochen auch Wähler in den Städten ansprechen muss. Sie tritt deshalb bewusst mit dem Slogan «Für Stadt und Land» an.
Auch die FDP will ihr urbanes Profil schärfen. Die FDP Schweiz hat letztes Jahr die Plattform «FDP Urban» gegründet. «Es geht unter anderem darum, dass alle Themen bearbeitet werden, auch solche, die vielleicht eher bei den Grünliberalen angesiedelt sind», meint FDP-Frau Angelsberger.
Grüne Parteien profitieren
Der Hinweis auf die Grünliberalen kommt nicht von ungefähr. Denn es waren die GLP und die Grünen, die bei den Zürcher Gemeindewahlen letztes Jahr in der Agglomeration besonders zulegen konnten.
Beide Parteien begründen dies damit, dass die kleineren Städte attraktiver geworden seien für Zuzüger aus der Stadt Zürich – und dabei handle es sich um ein Publikum, das für grüne Politik empfänglich sei.
«Wir vermuten in der Agglomeration Wählerkreise, die unsere Themen wie etwa die Zersiedelung stark spüren», sagt die Grüne Parteipräsidentin Marionna Schlatter. Das Ziel der Grünen sei es deshalb, in der Agglomeration zuzulegen.
Die Agglomeration: Lange belächelt, nun ein umkämpfter Hotspot der Parteien im Wahlkampf. Sie einfach links liegen zu lassen, kann sich weder Rechts noch Links erlauben.