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Warnung vor zweiter Welle «Die Reproduktionszahl kann schnell wieder hochgehen»

Seit dieser Woche sind die ersten Lockerungen da. Die Gartencenter und Coiffeursalons haben wieder geöffnet. Ab dem 11. Mai sollen nun auch Restaurants, Märkte und Museen unter strengen Auflagen wieder öffnen dürfen. In weiten Bevölkerungskreisen ist das Aufatmen gross.

Aber es gibt auch die, die Zweifel haben, ob das gut kommt. Modellrechnungen der EPFL und der Johns-Hopkins-Universität zeigen, dass die aktuellen Lockerungsmassnahmen bereits im Juli zu einer zweiten, womöglich sehr heftigen Welle führen könnte.

Katrin Zöfel

Wissenschaftsjournalistin

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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.

SRF News: Ist das Angstmacherei, oder wie kommen die Forscher zu ihrer Aussage?

Katrin Zöfel: Das ist im Grunde gar keine neue Aussage. Es ist klar, dass sich das Virus jederzeit wieder schneller ausbreiten kann – es ist nun mal da. Und wie schnell die Zahlen hochgehen können, hat man gesehen, als das Virus vor ein paar Wochen hier ankam. Das ging sehr schnell. Der Wert, auf den Epidemiologen da zuerst schauen und der das Tempo mitbestimmt, ist der sogenannte R-Faktor, die Reproduktionszahl.

Was sagt der R-Faktor genau aus?

Er sagt aus, wie viele Menschen eine infizierte Person ansteckt. Liegt R bei 1, ist das nur eine Person, liegt R unter 1, so wie im Moment, geht die Zahl der Infizierten insgesamt zurück. Je tiefer R unter 1 ist, umso schneller geht das. Liegt R aber über 1, steigt die Zahl der Infizierten wieder an. Und da macht auch ein kleines bisschen über 1, zum Beispiel 1.2, schon ziemlich viel aus.

Wir sind in der Schweiz bei einem R-Faktor von weit unter 1. Manche Forscher sagen sogar, er liege bei 0.3. N och Mitte März lag der Faktor bei 2.8 – das heisst, damals steckte eine Person also fast drei andere an.

Es ist schon ziemlich beeindruckend, wie sehr R von den Massnahmen und dem Verhalten der einzelnen bestimmt wird. Das zeigt ganz klar: Wir als Gesellschaft haben es durchaus in der Hand, wie es weitergeht. Aber eben, das gilt im Guten wie im Schlechten. R ist jetzt tief, aber der Wert kann schnell wieder hochgehen.

Warnung vor zweiter Welle

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Der Artikel hat Reaktionen auf Twitter ausgelöst, einige sehen darin «Angstmache». Das war natürlich nicht das Ziel. – Man weiss aber inzwischen so viel über das Coronavirus, dass klar ist, dass es einerseits schnell heftige Ausbrüche auslösen kann, und das gilt solange das Virus in der Schweiz zirkuliert, andererseits aber auch sehr viel in der Hand des Einzelnen liegt, weil man klar sieht, dass das Verhalten jedes Einzelnen die Dynamik der Ausbreitung beeinflussen kann. Fazit: Keine Angstmache, aber eine Erinnerung daran, dass viel Verantwortung bei jedem Einzelnen liegt

Solange das Virus da ist, bleibt die Gefahr, dass es irgendwo auch wieder heftiger aufkommt.

Auch ein R von 0.3 bedeutet ja nicht, dass das Virus schnell ganz verschwindet. Es zirkuliert immer noch, wenn auch immer weniger. Aber solange es da ist, bleibt die Gefahr, dass es irgendwo auch wieder heftiger aufkommt. Einige Epidemiologen plädieren deshalb dafür, lieber noch länger die strengen Massnahmen durchzuhalten und das Virus sozusagen weiter auszuhungern.

Niemand will eine zweite Welle und schon gar nicht bereits im Juli. Was schlagen die Forscher vor?

Erstmal einfach ein genaues Hinschauen auf die Zahlen – darauf, welche Massnahme sich wie auswirkt. Und der Tipp an die Politik, dass man nicht zu viel auf einmal ändern sollte, nicht zu viel auf einmal lockern. Dies einfach auch, damit mit nachher überhaupt nachvollziehen kann, welche Lockerung welche Auswirkung hatte.

Die Botschaft, die an alle geht: Nicht locker lassen und nicht zu sorglos werden.

Ausserdem sind einige Forscher in der Schweiz gerade dabei, noch genauer zu untersuchen, von wo nach wo das Virus wie weitergetragen wurde. Wenn man da bald noch mehr weiss, dann kann man die Massnahmen gegen die Ausbreitung viel spezifischer machen. Die Botschaft, die an alle geht, ist aber: Nicht locker lassen und nicht zu sorglos werden. Das Ganze ist noch lange nicht vorbei.

Das Gespräch führte Danièle Hubacher.

Info3 am Mittag vom 29.4.2020 ; 

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