Ob von der Disco nach Hause oder in den Ferien von der Autobahnraststätte in die Welt – Autostoppen war in den 1970-er und 1980-er Jahren noch weit verbreitet. Mittlerweile machen es nur noch wenige. Dass die grüne Welle und öffentlich finanzierte Wartebänke dem Stöppeln neuen Schwung verleihen, sei angesichts zeitsparender Alternativen eher unwahrscheinlich, sagt die Soziologin Katja Rost.
SRF News: Warum ist der Autostopp in Vergessenheit geraten?
Katja Rost: Das Auto wurde quasi demokratisiert, sodass sich heute fast jedermann ein solches Gefährt leisten kann. Zugleich wurden die öffentlichen Verkehrsmittel Bus und Bahn sehr stark ausgebaut. Dazu kommen neuere Entwicklungen wie Car Sharing und Uber oder Mitfahrzentralen – alles Angebote, die früher gefehlt haben. Es ist eine sehr sichere Form des Reisens, die ich vertraglich genau gestaltet kann. Bewertungsplattformen signalisieren Vertrauen.
Hat die heutige Gesellschaft ein grösseres Bedürfnis, dass zeitlich alles genau organisiert ist und die Vertrauenswürdigkeit bewertet ist?
Das gehört beides heute zu unserer Gesellschaft. Zeit ist für viele ein knappes Gut geworden. Damit ist keiner mehr bereit, sich wie früher eine Stunde an den Strassenrand zu stellen und auf die passende Gelegenheit zu warten. Vertrauen spielt heute ebenfalls eine grosse Rolle. Dazu kommt die verbreitete Angst vor Kriminalität, obwohl man eigentlich weiss, dass die Zahlen gesunken sind.
Kaum jemand ist heute noch bereit, sich für eine Stunde an den Strassenrand zu stellen.
Könnte der ökologische Gedanke das Reisen per Anhalter wiederbeleben?
In der Form, wie man das Autostoppen früher beobachtet hat, wird das wohl nicht mehr geschenen. Sicherlich spielen Ökologie und Sharing eine grosse Rolle, aber heute ist ja im Zeichen der «Sharing Economy» selbst der Autostopp kommerzialisiert über diverse Plattformen. Gerade Mitfahrzentralen funktionieren ja teils auch unentgeltlich. Mit der Überlegung, dass es unökologisch ist, allein mit dem Auto zu fahren und dass man vielleicht auch Unterhaltung haben möchte.
Heute ist im Rahmen der Sharing Economy selbst der Autostopp kommerzialisiert.
Haben vor allem Mitfahrzentralen und vielleicht auch Wartebänke für den Autostopp eine Chance?
Auf jeden Fall. Es wird aber immer sehr drauf ankommen, welche anderen Angebote noch zur Verfügung stehen. In ruhigeren Regionen ohne kommerzielle Anbieter kann das funktionieren. In Regionen mit Alternativen wird es wohl nicht der Fall sein. Knappe Zeit und fehlenden Vertrauen sind die Gründe. Viele wollen sich zudem gar nicht mehr unterhalten. Wer spontan mitgenommen wird, ist halt schon verpflichtet, höflich zu reagieren. Im kommerziellen Bereich kann ich mich einfach nach hinten setzen und auf mein Iphone schauen.
Das Gespräch führte Eva Stehrenberger.